Werder muss Weserstadion verändern
Grün-weiße Wand: Bald nur noch Stehplätze in der Ostkurve?
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Bremen - 20 Quadratmeter, mehr sind es gar nicht, und doch geht bei Werder Bremen von dieser Fläche schon bald eine große Veränderung aus – eine Veränderung, an deren Ende die Ostkurve zur reinen Stehplatztribüne geworden sein könnte!
Die Medienrichtlinien im neuen Fernsehvertrag der Deutschen Fußball Liga (DFL) schreiben den Bundesligaclubs vor, ab der Saison 2019/2020 eine spezielle Hintertorkamera in ihren Stadien anzubieten. Ein großes Gerät mit langem Schwenkarm, um spektakuläre Bilder von direkt über dem Tor aus aufnehmen zu können. So etwas braucht Platz, 20 Quadratmeter, um genau zu sein. „Diesen Platz haben wir in der Ostkurve aber nicht“, sagt Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald auf Nachfrage der DeichStube – und erklärt: „Deswegen denken wir darüber nach, wie wir die Sache lösen können.“ Werders favorisierte Idee sieht vor, dass im Osten bald nur noch gestanden wird.
Es war im Frühjahr 2017, ein gutes Jahr her also, als das drohende Kamera-Platz-Problem an der Weser zum Thema wurde. Seitdem haben die Verantwortlichen um Präsident Hess-Grunewald intern verschiedene Lösungsvarianten durchgespielt, denn klar ist: die neue Kamera kommt. Daran gibt es nichts zu rütteln. Schließlich profitiert auch Werder vom TV-Vertrag, der der DFL für die Saisons von 2017/2018 bis 2020/2021 die Rekordsumme von 4,64 Milliarden Euro in die Kassen spült. Wie also Platz für das Hightech-Gerät schaffen?
Hess-Grunewald diskutiert „alle Ideen“ mit den Fans
Die erste Idee sah vor, einen Teil der Ostkurve „herauszuschneiden“. „Dadurch hätten wir zwei Reihen mit etwa 500 Plätzen verloren“, erklärt Hess-Grunewald. „Für die Fans kommt das aber überhaupt nicht in Frage.“ Von Beginn an steht Werder mit seinen Anhängern beim Thema „neue Ostkurve“ in einem „offenen und transparenten Austausch“, hebt Hess-Grunewald hervor.
Der Präsident weiß, dass die Angelegenheit jede Menge Sprengkraft birgt. Schließlich geht es hier ums Allerheiligste der treusten Fans – ihren angestammten Platz im Stadion. Zahlreiche Interessen müssen dabei unter einen Hut gebracht werden. „Deswegen haben wir die Fans früh informiert. Es geht nur gemeinsam“, sagt Hess-Grunewald. „Alle Ideen werden mit und von den Fans diskutiert.“
Das Weserstadion in Bildern




So auch der Vorschlag, Ober- und Unterrang in der Ostkurve zu tauschen. Die Stehplätze unter dem Dach, die Sitzplätze darunter, davor die Kamera, was weniger Kapazitätseinbußen bedeuten würde – von den Fans aber ebenfalls abgelehnt wird. So hat der „Dachverband Bremer Fanclubs“ eine umfangreiche Umfrage unter allen Anhängern durchgeführt, die eine (Sitz-)Dauerkarte für den Oberrang der Ostkurve besitzen. Die Ergebnisse liegen der DeichStube vor – und sprechen eine klare Sprache.
Auf die Frage „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem aktuellen Platz?“ antworteten knapp 40 Prozent der 893 Teilnehmer mit „sehr zufrieden“, knapp 37 Prozent mit „zufrieden“. Noch deutlicher wird es bei der Frage „Gibt es andere Stadionbereiche, in denen Sie Ihre Dauerkarte lieber erwerben würden?“ Rund 88 Prozent der 809 Teilnehmer kreuzten bei diesem Punkt „Nein“ an. „Beim Tausch von Ober- und Unterrang würden wir auf erhebliche Widerstände treffen“, weiß Hess-Grunewald, der auch deswegen die Idee einer kompletten Stehtribüne im Osten als „sehr charmant“ bezeichnet. Für den Verein biete sie gleich mehrere Vorteile.
13.000 Stehplätze für „noch bessere Stimmung“?
Aktuell gibt es in der Ostkurve rund 7.500 Stehplätze. Erstrecken sich die Stehtraversen künftig bis unters Dach, würde sich die Zahl auf etwa 13.000 Plätze erhöhen. Die Business-Plätze in der Mitte sollen bleiben. „Wir hätten dann noch bessere Stimmung im Stadion“, sagt Hess-Grunewald, der mit dieser Variante noch ein anderes Problem lösen könnte: das der großen Fahnen, mit denen die Ultras den Vip-Gästen die Sicht aufs Spielfeld versperren. Werder würde den Ultras Plätze im Oberrang anbieten, was auf Gegenliebe stoßen dürfte: Sowohl Blick als auch Akustik sind unterm Dach deutlich besser – und die Fahnen wären aus dem Blickfeld der Logen verschwunden.
Was aber tun mit den rund 3.000 Fans, die derzeit im Ostkurven-Oberrang sitzen? Ein Teil dürfte durchaus damit einverstanden sein, wenn aus dem Sitz- künftig ein Stehplatz wird. „Aber es gibt ja auch Fans, die nicht stehen wollen oder es aus gesundheitlichen Gründen nicht können“, weiß Hess-Grunewald. Anspruch des Vereins müsse es dann sein, irgendwo im Stadion Ersatzplätze zu finden, „die sich im gleichen Preissegment befinden“. Angesichts der nahezu Vollauslastung des Weserstadions ist das sicher keine leichte Aufgabe. Zumal nicht wenige Fans schon seit Jahren ihre Plätze innehaben. „Uns ist bewusst, dass es unter den Fans gewachsene Strukturen gibt. Die wollen wir so gut es geht erhalten“, sagt der Präsident.
Thomas Vorberger gehört dem Vorstand des „Dachverband Bremer Fanclubs“ an, seit einem guten Jahr ist er in das Thema involviert. „Fanclubs, Ultras und der Verein sitzen alle an einem Tisch. Es ist ein sehr angenehmer Austausch“, berichtet er. Das heißt aber nicht, dass unter den Fans in allen Punkten Einigkeit herrscht. „Einige wollen den Ausbau zur reinen Stehtribüne unbedingt, andere wollen ihre Plätze nicht abgeben“, sagt Vorberger, der selbst Inhaber einer Stehplatz-Dauerkarte in der Ostkurve ist. „Wir sind aber auf einem guten Weg, eine Lösung zu finden, auch wenn das noch einige Zeit dauern wird“, erklärt er. Für September ist die nächste Diskussionsrunde geplant.
Auch Hess-Grunewald weiß, dass das Thema seinen Verein noch lange begleiten wird: „Es wird keine kurzfristige Entscheidung geben.“ Derzeit müsse noch vieles geprüft werden. So lässt Werder die Statik in der Ostkurve analysieren und will in einem weiteren Schritt eine Kostenschätzung für einen möglichen Umbau einholen.
Insgesamt ist die „neue Ostkurve“ neben dem Umbau des Nachwuchsleistungszentrums und dem Sicherheitsaspekt im Gästeblock ein weiteres großes Struktur-Thema, das Werder bewegt. „Es steht auf der Prioritätenliste direkt hinter den anderen beiden Punkten“, erklärt Hess-Grunewald – und betont: „Uns ist die große Bedeutung bewusst.“
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