Verloren zwischen Anspruch und Realität
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M'Gladbach - Mesut Özil hatte keinen Redebedarf. Nach seinem erschreckend schwachen Auftritt im WM-Test der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Kamerun (2:2) sparte sich der 25-Jährige den Weg zu den Journalisten.
Der ehemalige Spieler des SV Werder Bremen suchte lieber die direkte Route in den Mannschaftsbus – es war an diesem Abend fast die einzige zielstrebige Aktion des Regisseurs, der seinen 64-minütigen Auftritt in Mönchengladbach zuvor mit hängenden Schultern, im Trabtempo und mit haarsträubenden Patzern bestritten hatte.
Statt Özil stellte sich Joachim Löw den unangenehmen Fragen nach der Leistung seiner Nummer 8. „Er hatte nicht seinen besten Tag. Ihm sind Fehler unterlaufen, die er normalerweise nicht macht“, sagte der Bundestrainer: „Aber auch das werden wir hinbekommen, weil Mesut ein Spieler ist, der auf technischem Niveau gute Lösungen hat. Er wird sich steigern bis zum WM-Beginn.“
Mit seiner Nibelungentreue zum zweifellos höchstveranlagten Mittelfeldspieler vom FC Arsenal steht Löw aber zunehmend allein da. Bei seiner Auswechslung wurde Özil in Mönchengladbach ausgepfiffen – ein Pfeifkonzert hatte er schon bei seinem ebenso mangelhaften Auftritt im März gegen Chile kassiert. Bei kaum einem anderen Nationalspieler liegen Anspruch und Realität derart weit auseinander. Zur „Legende“, zum „weltbesten Spieler“ will Özil werden, bekräftigte er regelmäßig in Interviews. Doch wo andere Spieler von internationaler Klasse – auch im DFB-Team – mitreißen und vorangehen, da läuft Özil nur mit. Auch gegen Kamerun lamentierte und haderte er, winkte er ab, resignierte er mit wehleidigem Gesicht. Und genauso schlimm: Er verschleppte das deutsche Spiel. Dabei hatte ihn Löw zuletzt noch öffentlich in die Pflicht genommen. „Mesut muss an seiner Körpersprache arbeiten“, sagte der Bundestrainer: „Er muss auch dann, wenn ihm mal etwas misslingt, zeigen, dass er dies wegsteckt und signalisiert: ,Ich bin trotzdem weiter da und kann das Spiel prägen’.“
In Gladbach vergab Özil nach nur 40 Sekunden die größte Chance zur Führung – und tauchte danach fast völlig ab. Jenes Phlegma, vor allem in großen Spielen, wird Özil auch in seiner Wahlheimat England vorgeworfen. „Er war die personifizierte Gleichgültigkeit“, warf ihm der „Telegraph“ nach dem Aus in der Champions League gegen Bayern München vor, „er sah verloren, faul und desinteressiert aus“, polterte die „Daily Mail“.
Bei Arsenal-Coach Arsene Wenger („Er hat eine fantastische Technik und spielt intelligente Pässe“) hat Özil wie bei Löw noch Kredit. In Brasilien sollte er mit der Tilgung langsam anfangen. sid