Tragödie um verstorbenen Werdereraner
„Immer noch ein Albtraum“: Am 17. Oktober jährte sich der Tod von Werder-Fan Adrian Maleika zum 40. Mal
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Bremen – Willi Lemke fährt bis heute regelmäßig durch die Reihenhaus-Siedlung in Bremen-Kattenesch. Das hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten nicht verändert. Und noch etwas ist gleich geblieben: An einer bestimmten Stelle, in einer bestimmten Straße „wird es mir schwer ums Herz“, sagt der 76-Jährige im Gespräch mit der DeichStube. Und hält kurz inne. Es ist die Stelle, an der das Haus steht, in dem einst Adrian Maleika mit seiner Familie gelebt hat.
„Wir waren früher fast Nachbarn“, blickt Lemke zurück, der zwar schon lange nicht mehr in der Siedlung zu Hause ist, von Zeit zu Zeit aber noch alte Freunde dort besucht – und dabei stets an den tragischen Vorfall aus dem Herbst 1982 erinnert wird. Immer wieder hat er ihn im Laufe der Jahre als den „traurigsten Moment“ seiner langen Amtszeit als Manager des SV Werder Bremen beschrieben. „Bis heute lässt mich die Sache einfach nicht los“, sagt Lemke über den Tod von Adrian Maleika, der sich in wenigen Tagen zum 40. Mal jährt.
Es ist ein Anlass, der die öffentliche Erinnerung an das Schicksal des Werder-Fans wieder aufleben lässt. An jenen 16. Oktober 1982, als der 16-jährige Glaserlehrling Adrian Maleika aus Bremen im Vorfeld des DFB-Pokalspiels zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen bei Ausschreitungen lebensgefährlich verletzt wurde, weshalb er tags darauf im Altonaer Krankenhaus starb. Todesursache: Schädelbasisbruch und Gehirnblutungen.
Werder Bremen: Am 17. Oktober jährt sich der Tod des Werder-Fans Adrian Maleika zum 40. Mal
Der HSV wird an Maleikas 40. Todestag am kommenden Montag eine Gedenktafel an seinem Stadion enthüllen. Vor etwa zwei Jahren war die Idee dazu gemeinsam mit der Familie von Adrian Maleika entstanden. In der Ostkurve des Bremer Weserstadions hängt eine solche Tafel bereits seit 2012, auf grünem Grund steht darauf in weißer Schrift geschrieben: „Fußball ist Kampf um den Ball – und nicht Kampf zwischen den Fans.“ Werder Bremens Geschäftsführung sowie die Mitarbeiter des Vereins wollen sich am Montag zu einer internen Gedenkfeier an der Tafel treffen. Auch Willi Lemke möchte dabei sein. „Es ist wichtig, dass die Geschehnisse niemals vergessen werden“, betont er.
Was genau am 16. Oktober vor 40 Jahren passiert ist, haben inzwischen etliche Artikel, Chronik-Aufsätze und TV-Beiträge nachzuzeichnen versucht, woraus sich folgendes Bild ergibt. Adrian Maleika macht sich am 16. Oktober 1982 als Teil des Werder-Fanclubs „Die Treuen“ auf den Weg zum Auswärtsspiel in Hamburg, wo es bereits am Hauptbahnhof zu Ärger zwischen den Fan-Lagern kommt. HSV-Anhänger bewerfen die insgesamt etwa 150 Bremer mit Bierdosen. Die Situation eskaliert nur deshalb nicht, weil die Polizei die Gäste-Fans in Richtung S-Bahn eskortiert. An der Haltestelle Stellingen sollen sie von anderen Beamten in Empfang genommen und zum Stadion geleitet werden. Allerdings steigen nicht alle Fans aus. Einige von ihnen, darunter auch Adrian Maleika, fahren noch eine Station weiter, bis Eidelstedt, und machen sich von dort aus durch den Volkspark ohne Polizeischutz auf den Weg zum Stadion.
40 Jahre nach Tod von Adrian Maleika - Willi Lemke mahnt: „Wichtig, dass die Geschehnisse niemals vergessen werden“
Um 14.55 Uhr, so ist es nachzulesen, stoßen die Bremer auf eine Gruppe gewaltbereiter Hamburger Anhänger, unter der sich auch Mitglieder des rechtsradikal unterwanderten HSV-Fanclubs „Die Löwen“ befinden. Mit Knüppeln, Gaspistolen und Mauersteinen werden die Bremer attackiert. Viele können flüchten. Adrian Maleika nicht. Er wird von einem Stein am Kopf getroffen, verliert das Bewusstsein und wird am Boden liegend zusammengetreten. All das passiert, während sich Werder Bremens Profis nicht weit entfernt im Stadion auf den Anpfiff vorbereiten – natürlich ohne zu wissen, was draußen gerade vor sich gegangen ist. Nach dem Spiel, das die Bremer mit 2:3 verlieren, ändert sich das schnell.
„Wir haben direkt erfahren, dass es vor dem Anstoß Tumulte gab. Darüber wurde viel gesprochen“, erinnert sich Werders damaliger Kapitän Benno Möhlmann im Gespräch mit der DeichStube. Dass er nur wenige Tage nach dem Pokal-Aus auf einer Beerdigung zu Gast sein würde, ahnt er in den Stunden nach dem Abpfiff freilich nicht.
40. Todestag von Werder Bremen-Fan Adrian Maleika für Willi Lemke „immer noch ein Albtraum“
Am 22. Oktober 1982 wird Adrian Maleika auf dem Friedhof Huckelriede beigesetzt. An der Trauerfeier nehmen 600 Menschen teil, darunter auch Werders Manager Willi Lemke und Vizepräsident Klaus-Dieter Fischer. Vom HSV ist Manager Günter Netzer gekommen. „Uns allen war klar, dass wir alles daran setzen müssen, dass sich so ein schrecklicher Vorfall niemals wiederholt“, betont Lemke. Im Januar 1983 kommt es deshalb auf halber Strecke zwischen Bremen und Hamburg in einem angemieteten Gasthof zum sogenannten „Frieden von Scheeßel“. Rund 200 Fan-Vertreter beider Vereine verabreden im Beisein von Lemke und Netzer eine Art Waffenstillstand und einigen sich darauf, die Spirale der Eskalation nicht weiter zu drehen. „Wir mussten verhindern, dass die Schlacht weitergeht“, sagt Lemke.
Wer genau den Stein auf Adrian Maleika geworfen hat, ist bis heute nicht geklärt. Zwar müssen sich ein gutes Jahr nach der Tat, im Dezember 1983, acht HSV-Anhänger vor der vierten Strafkammer des Hamburger Landgerichts verantworten, ihre Unschuld beteuern sie jedoch bis zuletzt alle. Drei von ihnen werden am Ende wegen schweren Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung verurteilt, der Rädelsführer bekommt dabei eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.
Für Willi Lemke sind die Ereignisse auch nach nunmehr 40 Jahren „immer noch ein Albtraum“, wie er sagt. Am Sarg kondoliert er damals der Familie von Adrian Maleika, inzwischen wissend, dass sie in seiner unmittelbaren Nachbarschaft lebt. Jeden Tag, auf dem Weg zur Arbeit, fährt der Manager des SV Werder Bremen danach viele Jahre lang an ihrem Haus vorbei. (dco)