Jung spielte zuletzt stark auf

„Ich bin mein Leben lang unterm Radar geflogen“: Werders Linksverteidiger Jung über öffentliche Kritik und internen Konkurrenzkampf

Anthony Jung ist beim SV Werder Bremen absolut gesetzt. Bei den Fans ist die Meinung zum Linksverteidiger aber gespalten. Wie der 31-Jährige damit und dem Konkurrenzkampf mit Lee Buchanan umgeht.

Bremen – Anthony Jung neigt nicht zu Übertreibungen. Also wirklich nicht. Anders ist es schließlich nicht zu erklären, mit welcher Gelassenheit er auf seine bisherige Saison blickt. „Die Zahlen sind ganz okay“, sagt der Linksverteidiger des SV Werder Bremen, garniert diese Aussage aber immerhin mit einem verschmitzten Lächeln. Natürlich weiß auch Jung, dass die vergangenen Monate insgesamt ziemlich gut für ihn gelaufen sind. Und das liegt nicht nur am nahenden Klassenerhalt seiner Mannschaft. Vielmehr am Weg dorthin, an dem der 31-Jährige einen großen Anteil hatte. In allen 29 Bundesligapartien stand er auf dem Platz, in 28 davon von Beginn an. Mit diesem Wert kann nur noch Marvin Ducksch mithalten. Darüber hinaus erzielte Jung zwei Tore und bereitete fünf weitere Treffer seines Teams vor. So wie zuletzt das zwischenzeitliche 3:0 von Ducksch gegen Hertha BSC (4:2). Zahlen, die mehr als „ganz okay“ sind. Besonders wenn man bedenkt, dass Anthony Jung eigentlich gerade seine erste Saison als Stammkraft im deutschen Fußball-Oberhaus erlebt.

„Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich bislang fit und gesund geblieben bin und alle Spiele mitnehmen durfte“, erzählt Jung bescheiden. „Es ist aber noch Luft nach oben, man soll seine Ziele ja möglichst hochstecken. Ich weiß, dass es immer noch Dinge zu verbessern gibt.“ Kritik gibt es gern mal an Jungs Schnelligkeit, auch das Stellungsspiel und Zweikampfverhalten werden mitunter negativ betrachtet. Und überhaupt: Er spiele auf seiner linken Seite viel zu defensiv. Nun befindet sich Anthony Jung in einer kleinen Zwickmühle. Sein Pendant auf dem anderen Flügel, Mitchell Weiser, schaltet nur zu gern den Vorwärtsgang ein, reißt die Fans des SV Werder Bremen mit teils spektakulären Offensivaktionen mit. Diese bleiben meist eher im Gedächtnis, sogar dann, wenn es Versäumnisse in der Verteidigung gibt, die Weiser in dieser Saison auch schon gezeigt hat. Jungs Auftritte wirken da im Vergleich ungewollt bieder – und schnell sind die negativen Stimmen da.

Werder Bremens Anthony Jung über Konkurrent Lee Buchanan: „Ich denke, dass er es gut macht“

„Ich bin selbst mein größter Kritiker“, betont der Profi des SV Werder Bremen, der während der Saison 2016/2017 schon einmal für den FC Ingolstadt 16 Bundesligaduelle bestritt. „Manchmal liest man natürlich, was über einen geschrieben wird, ist auch nicht immer einverstanden damit. Aber jeder hat eben seine Sicht auf den Fußball.“ Eine ziemlich lockere Einschätzung, aus der Anthony Jung jedoch auch große Kraft schöpft. „Ich bin mein Leben lang ein bisschen unterm Radar geflogen“, erklärt er, „aber ich weiß, was ich der Mannschaft bringen kann. Die wichtigste Person, die das sehen muss, ist der Trainer – und solange das gegeben ist, kann ich damit sehr gut leben. Da ist mir die öffentliche Wahrnehmung nicht so wichtig.“

Chefcoach Ole Werner vertraut seinem Außenbahnspieler aktuell voll und ganz. Das belegen die Einsatzminuten. Bislang hat es Lee Buchanan, der im vergangenen Sommer aus England zu Werder Bremen kam, jedenfalls nicht geschafft, an den Verhältnissen auf der linken Seite zu rütteln. Anthony Jung spürt trotzdem den Willen seines Widersachers. „Der Druck ist da, der Konkurrenzkampf ist wie auf anderen Positionen gegeben“, sagt er und urteilt über den 22-Jährigen: „Ich denke, dass er es gut macht. Er hat zum ersten Mal England verlassen, im Grunde ist das für ihn noch eine Eingewöhnungssaison. Ich werde ihm sicherlich keinen Tipp vorenthalten, durch den er sich einen Vorteil verschaffen könnte. Ich tue mein Bestmögliches, um ihn weiterzuentwickeln und für ihn da zu sein.“ Denn letztendlich profitiere auch Jung selbst davon. „Je besser ein Spieler bei uns wird, desto mehr fördert das die Leistungsgesellschaft unserer Mannschaft.“

So könnte die Startelf-Aufstellung des SV Werder Bremen gegen den FC Schalke 04 aussehen!

Werder Bremens Anthony Jung selbstkritisch: „Ich bin weit weg von einem perfekten Modell“

Dem Zusammenhalt schadet das nachweislich nicht. Im Nachgang der Hertha-Partie wurde bereits während der Rückfahrt im Bus ordentlich gefeiert, später soll es für einen Teil des Kaders noch weiter in die Disco gegangen sein. „Ich habe auch mit dem einen oder anderen angestoßen“, erzählt Anthony Jung lächelnd. „Es war eine gewisse Erleichterung da, nachdem in den vorherigen Spielen die Ergebnisse nicht so gestimmt hatten.“ Mit einem Sieg am kommenden Samstag beim FC Schalke 04 (18.30 Uhr im DeichStube-Liveticker) und davor einer Niederlage des VfB Stuttgart gegen Borussia Mönchengladbach könnte der Ligaverbleib des SV Werder Bremen sogar endgültig festgezurrt werden. Doch so weit denkt Jung noch nicht. „Für uns geht es darum, jetzt den Schwung aus dem letzten Spiel mitzunehmen“, fordert er, gibt aber auch zu, dass er natürlich mit seinen Kollegen kurz vor dem Anpfiff in der Kabine per Smartphone checken wird, wie die Schwaben am Nachmittag gespielt haben.

Schließlich soll die Saison so gut bleiben, wie sie unter dem Strich bislang ist. „Ich hatte sicherlich das eine oder andere Spiel, in dem ich schwächer war. Ich konnte letztlich aber immer das Vertrauen, das ich bekommen habe, rechtfertigen“, hebt Jung hervor. „Mitchs Spiel auf der anderen Seite ist vielleicht etwas ansehnlicher oder actiongeladener, aber ich glaube auch, dass ich mit dem Spiel, das ich spiele, in meiner Karriere bislang ganz gut gefahren bin. Ich bin weit weg von einem perfekten Modell auf dieser Position, aber interpretiere die Rolle mit meinen Attributen.“ Und dann schiebt Anthony Jung einen entscheidenden Satz hinterher: „Die Zahlen lügen ja nicht.“ Einfach nur „ganz okay“ sind sie dann eben doch nicht. (mbü)

Rubriklistenbild: © gumzmedia

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