Inzwischen Blau-Gelb statt Grün-Weiß: Für Florian (l.) und Benno Urbainski ist das Spiel mit dem SV Atlas Delmenhorst im DFB-Pokal gegen Werder Bremen eine ganz besonders emotionale Angelegenheit.
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Inzwischen Blau-Gelb statt Grün-Weiß: Für Florian (l.) und Benno Urbainski ist das Spiel mit dem SV Atlas Delmenhorst im DFB-Pokal gegen Werder Bremen eine ganz besonders emotionale Angelegenheit.

Mit Atlas gegen die alte Liebe

Delmenhorster Familie Urbainski – bei Werder gespielt, gearbeitet und nun plötzlich Gegner

Delmenhorst – Der SV Werder Bremen gegen den SV Atlas Delmenhorst im DFB-Pokal - für die Familie Urbainski ist das ein besonders emotionales Spiel: Die Delmenhorster haben eine ganz enge Beziehung zum Bundesligisten.

Eigentlich wollte Benno Urbainski ja abschalten, entspannen, den Alltag mal für ein paar Tage hinter sich lassen. Als dann aber, mitten im Türkei-Urlaub in den Herbstferien 2016, sein Handy klingelte, ging er trotzdem ran, könnte ja wichtig sein. Und das war es durchaus: Florian Kohfeldt hatte große Neuigkeiten. Bei Werder Bremen hatte der junge Trainer gerade die U23 übernommen, und das wollte er Urbainski, damals noch ewiger Betreuer der Mannschaft, gerne persönlich mitteilen.

Durch den 4:1-Sieg gegen Heidenheim ist Bremen ins Achtelfinale des DFB-Pokals 2019/20 eingezogen: Nun steht für Werder die Auslosung der nächsten Pokal-Runde bevor.

Schließlich verbindet beide Männer eine lange Geschichte. Begonnen hat sie vor vielen Jahren in Delmenhorst, und ihre große Pointe, die erfährt sie nun am 10. August: Atlas Delmenhorst gegen Werder Bremen, erste Runde DFB-Pokal. Das ist ohnehin schon ein ganz besonderes Spiel – für Benno Urbainski, seit 2018 Team-Manager beim SV Atlas, und seine Familie aber derart mit Bedeutung aufgeladen, dass es fast wehtut.

Florian Urbainski: Atlas-Torwart in der Jugend bei Werder Bremen

Und deswegen sitzen die beiden Männer jetzt hier, Benno Urbainski und sein Sohn, der denselben Vornamen wie Werder-Trainer Kohfeldt trägt und Stammtorhüter bei Atlas ist. Um das alles einmal zu erklären. Um die zahlreichen Schnüre, die ihre Biografien unlösbar mit Werder und Atlas verbinden, einmal zu entwirren. Und das dauert. „Jan Harpstedt“, die Vereinsgaststätte des SVA, wo das Bier noch vom Fass und die Gespräche frei von der Leber kommen, wird in der nächsten Stunde unser Gastgeber sein. Zu Beginn geht’s weit zurück. 1999, da fing damals alles an.

Im Alter von acht Jahren wechselt Florian Urbainski als talentierter Nachwuchstorwart vom TV Jahn Delmenhorst in die Werder-Jugend, Vater Benno fährt ihn mehrmals die Woche die B75 runter zum Training, schaut oft zu, kümmert sich, wird bald Co-Trainer. „Bei Werder zu spielen, war das Größte“, erinnert sich Florian Urbainski, heute 29, der dem großen Traum, den so viele junge Fußballer träumen, plötzlich einen Schritt näherkommt. In Erfüllung geht er allerdings nie. „Jahrelang habe ich dafür trainiert, um eines Tages für Werder im Weserstadion zu spielen“, blickt der Keeper zurück, „dafür fehlte mir am Ende aber einfach die Qualität.“

Früher ganz nah dran am Profikader: U23-Torhüter Florian Urbainski (r.) im August 2013 mit Clemens Fritz (l.) und Torsten Frings.

Abschlussfahrten bei Werder Bremen III: „Alles nicht jugendfrei“

Eine Einsicht, heute locker und mit Schulterzucken ausgesprochen. Damals aber, 2008 in Werders A-Jugend, als endgültig klar ist, dass es nicht weitergeht, ein harter Schlag. Florian Urbainski landet im Herrenbereich in der dritten Mannschaft, trifft dort auf Florian Kohfeldt, ebenfalls Torhüter und ebenfalls aus der Jugend des TV Jahn, wo ihn Benno Urbainski einst trainiert hatte. „Konkurrenten waren wir aber nicht. Bei Florian war schon klar, dass er die Trainerlaufbahn einschlagen wird“, erinnert sich Florian Urbainski. Trinkt einen Schluck Kaffee, grinst und deutet dann legendäre Abschlussfahrten der Dritten an. Er und Kohfeldt immer mittendrin, „kann ich aber nicht erzählen, alles nicht jugendfrei“, sagt er.

2010 wechselt Florian Urbainski zum VSK Osterholz-Scharmbeck, Oberliga, „weil ich nochmal etwas höher spielen wollte“. Der Sohn also weg aus Bremen, der Vater bei Werder Bremen dafür längst eine Institution. Und nahezu der komplette Rest der Delmenhorster Familie inzwischen auch da. Während Benno Urbainski im Verein Mannschaft um Mannschaft aufsteigt und seinen Beruf als Kraftfahrer aufgibt, als ihn Thomas Wolter schließlich zur U23 holt, heuert seine Ehefrau Anke als Hauswirtschafterin im Werder-Apartmenthaus in Hastedt an, wo sie bis heute beschäftigt ist. Thorsten Urbainski, der ältere Sohn, kümmert sich zudem als Platzwart um Werders Trainingsgelände.

Florian Urbainski: „Wahnsinn“ - Endlich doch noch im Weserstadion

„Einzig Steffi, unsere Tochter, hat mit dem Verein nichts am Hut. Sie ist Bayern-Fan“, erzählt Benno Urbainski und klingt dabei, als könne er seinen Worten selbst kaum glauben. Denn für den 71-Jährigen, der erst vor wenigen Monaten in Rente gegangen ist, war Werder Bremen mehr als nur Arbeitgeber, mehr als nur ein Verein, dessen Trikots er gewaschen und für dessen Spieler er alles getan hat. Werder, das ist für Benno Urbainski und seinen Sohn Florian bis heute Leidenschaft. Und Werder, das ist in wenigen Tagen auch: ein Gegner.

„Für uns heißt es hinfahren, genießen und alles aufsaugen, was geht“, sagt Torwart Florian Urbainski über das Pokalspiel im ausverkauften Weserstadion. Im Sommer 2013, da hatte ihn Werder tatsächlich noch einmal zurückgeholt, für die U23, als Back-up. Ein Einsatz in der Regionalliga war ihm aber nicht vergönnt. 2015 dann weiter zu Atlas Delmenhorst, in die Heimat, „und mit der Heimatstadt jetzt doch noch ins Weserstadion. Das ist doch Wahnsinn“, sagt Florian Urbainski. Und in der Tat: Als Drehbruch würde die Geschichte wohl abgelehnt werden. Zu kitschig.

Der ewige Betreuer und das einstige Talent: Benno (l.) und Florian Urbainski fiebern dem „Jahrhundertspiel“ von Atlas Delmenhorst gegen Werder Bremen entgegen.

Benno Urbainski: Bei der DFB-Pokal-Auslosung „Tränen in den Augen“

Es ist spät geworden bei „Jan Harpstedt“, Florian Urbainski schaut vorsichtig auf die Uhr, gleich beginnt an diesem Abend das Training. Auch in der Oberliga ist die Vorbereitung lang und hart, der Konkurrenzkampf groß. „Ausruhen darf ich mich nicht“, weiß der Keeper und verabschiedet sich. Auch Benno Urbainski hat schon viel erzählt, diese eine Anekdote, die muss der Atlas-Teammanager aber dringend noch loswerden.

„Als feststand, dass wir uns für den DFB-Pokal qualifiziert haben, habe ich sofort gesagt, dass wir gegen Werder spielen“, betont er. „Geglaubt hat mir das keiner.“ Dann kam der 15. Juni, die Auslosung, bei „Jan Harpstedt“ live im TV übertragen. Volles Haus, Vater und Sohn Urbainski, der ewige Betreuer und das einstige Talent, natürlich dabei. Erste Kugel: SV Atlas Delmenhorst. Zweite Kugel: SV Werder Bremen. „Da hatte ich Tränen in den Augen“, sagt Benno Urbainski, „das kann man sich gar nicht vorstellen.“ Mit etwas Anstrengung, wirklich nicht viel, klappt es aber doch ganz gut.

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Vor dem DFB-Pokal-Spiel gegen den Nachbarn hat Werder Bremen den Verkauf eines Fanschals von Atlas Delmenhorst gestoppt. Und es gibt eine interessante Statistik: Der Marktwert von Werder Bremen ist seit der Amtsübernahme von Coach Florian Kohfeldt explodiert. Weil sich der geplante Transfer von Benjamin Henrichs zu Werder Bremen in die Länge zieht, wollen die Grün-Weißen nun offenbar Bernardo von Brighton & Hove Albion verpflichten. Obwohl er gegen im DFB-Pokal auf viele Bekannte trifft, will Florian Kohfeldt gegen Atlas Delmenhorst erst nach dem Spiel Nettigkeiten austauschen und entschuldigt sich dafür.

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