Groß zuletzt bei Werder gesetzt

„Ich bin kein Lautsprecher“: Wie Christian Groß bei Werder auch ohne Gebrüll Akzente setzen will

Christian Groß spielt beim SV Werder Bremen auch in der Bundesliga eine wichtige Rolle. Auch wenn er nicht zu den filigransten Spielern in der Mannschaft zählt, hat der 34-Jährige einen großen Einfluss auf das Spiel der Bremer.

Bremen – Er ist vielleicht kein Taktgeber im Spiel des SV Werder Bremen, aber der richtige Rhythmus liegt Christian Groß sehr wohl am Herzen. Sonst wäre er auf seiner Position im defensiven Mittelfeld sicherlich auch falsch aufgehoben. Und deshalb ist der 34-Jährige enorm bemüht darum, einen mannschaftlichen Einklang auf dem Platz hinzubekommen. „Balance ist ein ganz wichtiges Stichwort. Ich versuche, die Mannschaft da in beide Richtungen zusammenzuhalten“, sagt Groß über eine seiner Kernaufgaben. Nur offensiv oder nur defensiv wird es nicht gehen. „Wir schießen zusammen als Team Tore und kassieren sie auch zusammen. Es wird in den nächsten Wochen darauf ankommen, dass wir gemeinsam die Räume kompakt halten und aus einer guten Ordnung heraus spielen.“

Nun weiß natürlich auch der gebürtige Bremer, dass das in dieser Saison nicht immer so gut geklappt hat. Satte 52 Gegentore hat Werder Bremen bereits kassiert, lediglich der VfL Bochum schneidet als Tabellen-15. diesbezüglich noch schlechter ab (60). Da gibt es klaren Nachholbedarf, seit Wochen schon bestimmt das Defensivverhalten am Osterdeich den Trainingsplan. Die Erfolgsbilanz hat so ihre Tücken. „Wenn ich das Spiel gegen Hoffenheim sehe, dann haben wir gar nicht viel zugelassen. Auch gegen Mainz zuletzt haben wir schön im Kollektiv verteidigt. Das war ein Schritt in die richtige Richtung“, hat Christian Groß beobachtet, der jedoch auch zugibt: „Wenn der Druck größer wird, dann kann immer mal einer durchrutschen. Ich habe gerade das Gefühl, dass wie gegen Hoffenheim der erste Schuss dann auch direkt drin ist. Solche Chancen lassen wir zu einfach zu. Wir müssen da noch konzentrierter sein.“

Christian Groß hat bei Werder Bremen „auch auf die Entwicklung von jungen Spielern“ ein Auge

Diese mannschaftliche Aufmerksamkeit fordert er auch intern ein. Nicht mit Faustschlägen auf den Tisch, sondern eher in ruhigem Ton. „Ich bin kein Lautsprecher und schreie nicht pausenlos in der Kabine herum“, erklärt Christian Groß. „Was mich auszeichnet, ist, dass ich aufgrund meiner Erfahrung viele Dinge anders beobachte und bewerte. Gerade in meinem Alter bin ich dafür verantwortlich, Aspekte anzusprechen, die nicht immer sofort auffallen.“ Auf derartige Informationen setzt auch Trainer Ole Werner, nicht nur auf dem Platz, sondern auch daneben ist sein Sechser ein wichtiger Bezugspunkt. So wie in der Vorwoche, als es mal wieder einen Austausch mit dem Zirkel der Führungsspieler des SV Werder Bremen im Trainerbüro gab. „Als Teil des Mannschaftsrates ist man auch dafür da, Gefühle oder Stimmungen aus der Mannschaft an den Trainer heranzutragen, die er so in der Kabine vielleicht nicht mitbekommt“, schildert Groß. Ein winziges Puzzleteil, aus dem im Idealfall später ein in sich stimmiges Gesamtwerk wird.

Doch abseits dieser Detailarbeit verfolgt der Routinier bei Werder Bremen noch ein anderes Ziel. „Mein Hauptgeschäft als Profi ist es natürlich, eine gute Leistung auf den Platz zu bringen. Aber auch auf die Entwicklung von jungen Spielern habe ich ein Auge“, betont er. „Ich probiere, viel mit ihnen zu reden, mich mit ihnen auszutauschen, weil ich in meiner Karriere viele Situationen durchgemacht habe, die nicht immer einfach waren.“ Da geht es dann um langwierige Verletzungen oder auch vermeintlich stockende Karrieren. Christian Groß hat stets einen Ausweg gefunden – davon sollen jetzt andere profitieren. „Im Vier-Augen-Gespräch versuche ich dann, ihnen Mut zu machen oder zu sagen, dass sie gerade eine gute Entwicklung nehmen.“

Werder Bremens Christian Groß über Konkurrent Ilia Gruev: „Ich freue mich sehr über seine Entwicklung“

Eine dieser Personen ist Ilia Gruev. Auf dem Papier ist der 22-Jährige Groß‘ Konkurrent im Kampf um einen Platz in der Startelf. Doch die beiden verbindet viel mehr. „Ich sitze neben ihm in der Kabine und kenne ihn jetzt schon ein paar Jahre. Ich freue mich sehr über seine Entwicklung und darüber, dass er bulgarischer Nationalspieler geworden ist“, sagt Christian Groß und lacht. „Ich unterstütze ihn, wo ich kann und hoffe, dass seine Entwicklung noch nicht am Ende ist.“ Für Werder Bremen wäre das nicht unwichtig.

Vor allem dann, wenn Christian Groß, der gerade erst seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert hat, vielleicht irgendwann doch nicht mehr erste Wahl bei seinem Coach ist. „Grundsätzlich ist der Tank immer voll“, scherzt Groß, der selbst nicht genau weiß, wie lange er das Abenteuer Profifußball noch erleben wird. „Im Alter schaut man gar nicht mehr, was langfristig sein könnte. Ich schaue einfach von Woche für Woche und werde das auch in der nächsten Saison tun.“ Womöglich liefert dann der Winter 2024, wenn Zeit zum Durchschnaufen, zum Hineinhorchen in den Körper ist, Antworten. „Ich werde dann relativ kurzfristig entscheiden, wohin die Reise geht“, kündigt der 34-jährige Mittelfeldspieler des SV Werder Bremen an. „Ich habe meinen Vertrag verlängert, weil ich noch unheimlich Lust auf Fußball habe und sehr gerne hier zum Trainieren und Spielen ins Stadion komme.“ Der eigene Rhythmus ist also noch intakt. Nun will er weiter dabei helfen, dass auch das Spiel seiner Mannschaft noch melodischer daherkommt. (mbü)

Rubriklistenbild: © gumzmedia

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