Ex-Profi im DeichStube-Gespräch
Ex-Herthaner Rehmer vor Duell mit Werder im DeichStube-Interview: „Füllkrug wird im Sommer wechseln“
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Hertha BSC und der SV Werder Bremen sind beide seit sechs Bundesliga-Partien sieglos. Am Samstag (15.30 Uhr) kommt es im Berliner Olympiastadion zum direkten Duell. Im DeichStube-Interview geht Ex-Hertha-Profi Marko Rehmer hart mit den Berliner Profis ins Gericht und lobt den SV Werder.
Berlin – Marko Rehmer spricht immer noch von „meinen Berlinern“, wenn es um Hertha BSC geht. Das Chaos bei seinem Ex-Club, für den er von 1999 bis 2005 gespielt, schmerzt ihn. Den Trainerwechsel hin zu Pal Dardai hält er für richtig und erwartet im Heimspiel der Berliner gegen den SV Werder Bremen (Samstag, 15.30 Uhr, im DeichStube-Liveticker) ein ganz anderes Auftreten der Mannschaft. Im Interview mit der DeichStube geht der 50-Jährige, der eine Sportmarketing-Agentur betreibt, mit den Hertha-Profis hart ins Gericht, er lobt Werder und prognostiziert einen Transfer von Niclas Füllkrug.
Hertha hat am Wochenende nach der Niederlage auf Schalke reagiert und den Trainer gewechselt. War diese Maßnahme alternativlos, Marko Rehmer?
Es ist nun mal das letzte Mittel. Es soll alles versucht werden, um die Klasse zu halten. Lange Zeit stand der Trainer nicht zur Diskussion, doch nach der langen Misserfolgsserie wurde auch Sandro Schwarz hinterfragt. Es ist leider so, dass am Ende der Trainer das schwächste Glied bleibt und häufig büßen muss.
Zeichnete sich die Beurlaubung ab?
Ich habe noch gute Drähte zur Hertha, wohne in Berlin und bekomme einiges mit. Am Samstag habe ich frühzeitig davon erfahren, dass Sandro Schwarz das Auslaufen der Profis nicht mehr begleitet und früh das Trainingsgelände verlassen hat. Da stand für mich fest, dass er den Job verlieren würde.
Wie denken Sie über die Maßnahme der sportlichen Führung?
Der Trainerwechsel zu diesem späten Zeitpunkt der Saison geht schon in Ordnung. Ich denke, er war unausweichlich. Natürlich hat es den Anschein, als wäre es der letzte Strohhalm, an den sich die Führung und insbesondere Sportdirektor Benjamin Weber klammert.
Ex-Hertha-BSC-Profi Marko Rehmer vor Duell mit Werder Bremen: „Habe damit gerechnet, dass die Wahl auf Pal Dardai fällt“
Es kam zum abermaligen Comeback von Pal Dardai, der zum dritten Mal bei der alten Dame übernimmt. Die richtige Entscheidung?
Aus meiner Sicht die logische Entscheidung, einen Mann aus dem eigenen Stall zu nehmen. Zumal ein enormer Zeitdruck herrscht. Ich hatte damit gerechnet, dass die Wahl auf Pal Dardai fällt. Es soll auch über Ante Covic nachgedacht worden sein, er kommt ja auch aus dem Club. Ich denke aber, dass Pal in dieser Lage die bessere Wahl ist. Er hat bewiesen, dass er in der Lage ist, schwierige Situationen zu meistern und schnell positive Prozesse einzuleiten.
Dardai ist seit Jahren bei der Hertha beschäftigt, hat die Profis gecoacht und in der Nachwuchsabteilung gearbeitet. Wäre es nicht besser gewesen, keinen Vertreter aus der Hertha-Blase zu berufen, sondern einen unvoreingenommenen und unbelasteten Mann von außen?
Ich habe gehört, dass intern auch diese Variante besprochen worden ist. Wobei immer zu bedenken ist, dass momentan der Markt nicht gerade die freie Auswahl anbietet. Zu den Namen, die im Führungskreis diskutiert worden sind, gehört auch Markus Gisdol. Meiner Auffassung nach haben die Hertha-Bosse richtig gehandelt. Für Dardai spricht, dass er Hertha und die Gegebenheiten bestens kennt. Eine wichtige Voraussetzung, um schnell einzugreifen und zu handeln. Er benötigt keine lange Anlaufzeit, um die verunsicherte Mannschaft auf Kurs zu bringen.
Wie bewerten Sie das Auftreten der Mannschaft in jüngster Vergangenheit?
Augenblicklich stellt die Hertha keine Mannschaft. Wer einen Blick auf den Kader wirft, kommt zu dem Schluss, dass die einzelnen Spieler schon ein gewisses Niveau verkörpern, es einige überdurchschnittliche Individualisten gibt, die kaum jemand im Aufgebot eines Abstiegskandidaten vermutet. Doch in der Summe dieser Einzelkönner ergibt sich keine erfolgversprechende Einheit auf dem Platz.
Marko Rehmer vor Duell mit Werder Bremen über Hertha BSC: „In dieser Verfassung ist die Truppe ungeeignet für den Existenzkampf“
Das Grundübel aus Ihrer Sicht?
Fast alle Spieler lassen die Einsatzbereitschaft, den nötigen Willen, die unbedingte Leidenschaft und den vorbildlichen Kampfgeist vermissen. Also die Tugenden, die eine Mannschaft im Abstiegskampf unbedingt an den Tag legen muss, um bestehen zu können. In dieser Verfassung ist die Truppe ungeeignet für den Existenzkampf. Hier muss Pal Dardai ansetzen, doch, wie ich ihn kenne, weiß er das selbst.
Können Sie diese Charakterschwäche der Mehrzahl der Hertha-Profis nachvollziehen?
Überhaupt nicht! Ich möchte als Spieler doch nicht mit dem Makel eines Abstiegs befleckt sein. So lautete jedenfalls mein Antrieb, als ich während meiner aktiven Zeit zweimal mit so einer bedrohlichen Lage konfrontiert worden bin. Ich habe alles gegeben, um den Klassenerhalt zu schaffen. 1999 bei Hansa Rostock, obwohl damals mein Wechsel zur Berliner Hertha schon feststand. Dennoch habe ich für Hansa gekämpft. Genauso wie bei Eintracht Frankfurt, als auf meiner letzten Profistation ebenfalls der Abstieg drohte.
So könnte die Startelf-Aufstellung des SV Werder Bremen gegen Hertha BSC aussehen!
Hertha gilt als Chaosclub. Die Affäre um Investor Windhorst, die Episode um Jürgen Klinmann, die häufigen Trainerwechsel, die Unruhe in der Führungsetage, die Trennung von Manager Fredi Bobic. Was war die schlimmste Fehlleistung?
Ich möchte da keine Wertung vornehmen. Es ist einiges schiefgelaufen. In der Summe hat sich das gerächt über die Jahre. Das Produkt ist nun die Rote Laterne und das Zittern voraussichtlich bis zum letzten Spieltag.
Hat die Hertha sechs Spieltage vor Schluss überhaupt noch Chancen?
Es ist noch alles möglich bei drei Heimspielen, die unbedingt gewonnen werden müssen. Der Anfang sollte gegen Bremen gemacht werden.
Ex-Hertha-BSC-Profi Marko Rehmer: „Werder Bremen bleibt in der Liga, davon bin ich überzeugt“
In Berlin wird Fredi Bobic arg kritisiert, hauptsächlich wegen der Zusammenstellung des Kaders. Eine berechtigte oder eine übertriebene Kritik?
Ich empfinde die Stimmen zu Fredi als etwas überzogen. Fredi hat auch Fehler gemacht, doch er musste unter den zum Teil eher dürftigen Voraussetzungen agieren. Der Kardinalfehler ist vorher geschehen, als die durch den Investor bereitgestellten Millionen Euro nicht zielgerecht ausgegeben wurden.
Ist Werder Bremen, der kommende Gegner der Hertha, in dieser Beziehung das lobenswerte Gegenstück?
In mancherlei Hinsicht haben die Bremer besser agiert als die Berliner. Sie hatten weniger finanzielle Möglichkeiten und haben sich wesentlich besser aufgestellt als „meine Berliner“. Es ist schon ein kleines Kunststück, dass die Bremer nach dem Abstieg sogleich den Wiederaufstieg geschafft haben und nun eine solche Rolle in der Bundesliga spielen.
Werder ist seit sechs Begegnungen sieglos, leidet erneut unter einer Durststrecke. Obwohl ein gewisses Polster vorhanden ist, ist der Verbleib noch nicht gesichert?
Werder bleibt in der Liga. Davon bin ich überzeugt. Bremen hat die kleinen Flauten schon öfter gemeistert, es wird wieder so sein. Die Mannschaft holt noch die fehlenden Punkte zur Rettung.
Ex-Hertha-BSC-Profi Marko Rehmer über Werder Bremens Niclas Füllkrug: „Der Junge macht einfach Spaß“
Verblüfft Sie Niclas Füllkrug, die Bremer Lebensversicherung?
Der Junge macht einfach Spaß. Deutschland hat jahrelang einen Mittelstürmer gesucht. Füllkrug ist auf einmal erschienen und hat die Gunst der Stunde genutzt.
Hätten Sie, wenn Sie noch aktiv wären, gern Füllkrug als Gegenspieler gehabt?
Früher habe ich liebend gern gegen die robusten und groß gewachsenen Stürmer gespielt, lieber als gegen die kleinen, quirligen und dribbelstarken Gegenspieler. Ich würde gern gegen ihn antreten.
Füllkrug ist begehrt, seine Zukunft noch ungewiss. Ihr Tipp: Bleibt er oder verlässt er Werder?
So sehr ich es den Bremern wünsche, aber Füllkrug wird im Sommer wechseln. (hgk)