Im DeichStube-Interview
„Mein Vater war megastolz auf mich“: Gruev im DeichStube-Interview über Starrummel in Bulgarien und Konkurrenzkampf bei Werder
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Ilia Gruev gehört zu den großen Gewinnern beim SV Werder Bremen unter Ole Werner. Erst kürzlich wurde er Zweiter in der Wahl zu Bulgariens Fußballer des Jahres. Jetzt spricht der 22-Jährige über diese Ehrung, die Beziehung zu seinem Vater und, dass er mit dem Gedanken spielte, die Bremer zu verlassen.
Eine gute Nachricht jagt im Leben von Ilia Gruev gerade die nächste. Erst schmückte er das Cover des bulgarischen Forbes-Magazins, dann landete er in seiner Heimat bei der Wahl zum Fußballer des Jahres auf Rang zwei. Und Fußball spielt der Profi des SV Werder Bremen ja auch noch. Schon elf Mal von Beginn an in dieser Saison, zuletzt aber etwas weniger, weil Christian Groß den Vorzug auf der Sechs erhielt. Im DeichStube-Interview spricht der 22-Jährige über turbulente Tage und sportliche Zufriedenheit.
Herr Gruev, wie sehr waren Sie am vergangenen Sonntag mit den Gedanken in Sofia?
Erst gar nicht, wirklich, weil wir ja ein sehr wichtiges Spiel in Stuttgart hatten, auf das ich vollkommen fokussiert war. Danach habe ich mich aber schnell informiert.
In Ihrer Heimat Bulgarien waren Sie für die Wahl zum Fußballer des Jahres nominiert – und sind am Ende in Abwesenheit Zweiter geworden. Herzlichen Glückwunsch!
Danke. Es hat zeitlich zum Glück so gepasst, dass ich die Verleihung im Mannschaftsbus auf dem Weg zum Flieger live am Handy verfolgen konnte. Mein Vater (Ex-Profi Ilia Gruev Senior, Anm. d. Red.) war in Sofia vor Ort und hat die Trophäe für mich entgegengenommen. Vorher hieß es, dass ich wohl unter den Top Drei landen würde. Dass es zu Platz zwei gereicht hat, habe ich aber tatsächlich erst im Bus erfahren.
Werder Bremens Ilia Gruev: „In Sachen Disziplin und Pünktlichkeit bin ich sehr Deutsch“
Und danach sofort mit den Mitspielern angestoßen?
Nee, gar nicht. Ich habe es alleine für mich verfolgt. Die meisten Kollegen wussten ja überhaupt nichts davon.
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung denn?
Es ist eine große Sache für mich. Bulgarien ist mein Heimatland, und dort in einem Jahr zum zweitbesten aller Fußballer gewählt zu werden, ehrt mich sehr. Vor anderthalb Jahren kannte mich noch niemand in Bulgarien. Dass es jetzt so schnell nach oben ging, freut mich. Ich glaube, es spiegelt meine harte Arbeit wider.
Hat Ihr Vater, der zwischen 2019 und 2021 Werders Trainerstab angehörte, die Trophäe denn schon rausgerückt?
(lacht) Sie kommt in den nächsten Tagen zu mir und wird definitiv einen Ehrenplatz in meiner Wohnung bekommen. Mein Vater war natürlich megastolz auf mich. Eigentlich die ganze Familie. Ich habe viele Nachrichten von Verwandten und Freunden aus Bulgarien bekommen.
Sie wurden im Jahr 2000 in Sofia geboren, kurz danach ging es für die Familie nach Deutschland, weil Ihr Vater zum MSV Duisburg gewechselt ist. Welche Beziehung haben Sie heute zu Ihrer Heimat?
Eine, die gefühlt immer enger wird. Ich habe das Glück, dass ich aus beiden Kulturen, aus der deutschen und der bulgarischen, beim Aufwachsen das Beste für mich mitnehmen konnte. In Sachen Disziplin und Pünktlichkeit bin ich auf jeden Fall sehr deutsch, was Offenheit und das Familiäre angeht, eher bulgarisch.
„Das hat schon zugenommen“, sagt Werder Bremens Ilia Gruev zu seinem Bekanntheitsgrad in Bulgarien
Platz eins bei der Wahl ging an Kiril Despodov, den Kapitän der bulgarischen Nationalmannschaft, der Sie in seiner Ansprache ausdrücklich als großes Talent gelobt hat. Aus dem Nationalteam scheinen Sie nach gerade einmal vier Einsätzen nicht mehr wegzudenken. . .
Ich freue mich einfach, dass ich jetzt zu diesem Kreis gehöre. Richtig realisiert habe ich es noch nicht, weil es sehr schnell ging. Bulgarien hat knapp sieben Millionen Einwohner, wir sind eine Fußballnation. Und die vertreten zu dürfen, bedeutet mir sehr viel.
Bulgariens Nationaltrainer ist Mladen Krstajic, der mit Werder 2004 als Profi das Double gewann. Er hat Sie bisher immer von Beginn an spielen lassen...
Ja, ich spüre ein sehr großes Vertrauen von Mladen Krstajic. Es waren ja auch wichtige Spiele für uns. Der Fakt, dass ich in der Bundesliga spiele, ist schon ein Riesenplus.
Unterhalten Sie sich viel mit ihm über Werder?
Natürlich. Werder ist immer mal wieder Thema. Er gibt mir immer Grüße mit nach Bremen, an Frank Baumann zum Beispiel (Werders Sportchef, der mit Krstajic zusammenspielte, Anm. d. Red.).
In Bremen kennen Sie alle als den Werder-Profi aus dem eigenen Nachwuchs. Wie populär sind Sie in Ihrem Heimatland?
Das hat schon zugenommen. Die Wahl wurde jetzt live im Staatsfernsehen übertragen, sodass die Aufmerksamkeit groß war. Generell schauen viele Fans in Bulgarien vor allem auf die einheimische Liga. In den Top-Fünf-Ligen Europas gibt es bis auf mich und Valentin Antov (spielt für den AC Monza in der Serie A, Anm. d. Red.) aktuell keinen bulgarischen Spieler.
Ilia Gruev über seine Vertragsverlängerung: „ Bei Werder Bremen sehe ich noch viel Potenzial für mich“
Stehen Sie gerne im Fokus?
Ganz ehrlich: Ich bin einfach ein Typ, der sein Ding macht und sich weiterentwickeln will. Was dann an Aufmerksamkeit dazu kommt, freut mich, weil es eine Form der Anerkennung ist. Aber wenn nur das dein Motivationsgrund ist, dann kommst du nicht weit.
Sie haben Ihren Vertrag bei Werder im vergangenen Sommer verlängert. Vorher wurden Sie mit Ajax Amsterdam in Verbindung gebracht. Gab es Kontakt zum niederländischen Rekordmeister?
Wichtig ist doch, dass ich mich am Ende für Werder entschieden habe. Es gab zwar andere Optionen im Sommer, aber jetzt noch darauf einzugehen, ergibt wenig Sinn. Ich wollte in der Bundesliga spielen, und bei Werder sehe ich noch viel Potenzial für mich.
In der laufenden Saison bringen Sie es bis dato auf 17 Liga-Einsätze, elf davon in der Startelf. Zufrieden damit?
Ja. Hätte mir vor der Saison jemand gesagt, dass ich so oft von Anfang an spiele, hätte ich es auf jeden Fall genommen. Auf der anderen Seite passt man sich aber auch schnell an und will immer mehr. Wenn man zehn Mal hintereinander in der Startaufstellung steht und dann mal nicht, ist das natürlich nicht so schön.
Ilia Gruev über einen möglichen Abgang von Werder Bremen: „Am Ende hat es sich ausgezahlt, zu bleiben“
Zuletzt saßen Sie gegen Wolfsburg und Stuttgart auf der Bank. Wie hat Trainer Ole Werner das Ihnen gegenüber erklärt?
Er wollte ein bisschen rotieren, weil das Wolfsburg-Spiel am Ende der Englischen Woche lag. Dann haben wir gewonnen, genauso wie in Stuttgart. So kam es, dass ich auf der Bank saß.
Sind Sie generell ein geduldiger Typ? Immerhin mussten Sie früher auch lange warten, bis Ihnen in Werders Profikader der Durchbruch gelang.
Ich bin jetzt im vierten Jahr bei den Profis. Dass ich im ersten nur oben trainiere und in der U23 spiele, war der Plan. Im zweiten Jahr sollte ich dann etwas mehr Einsatzzeiten bekommen, habe unter Florian Kohfeldt aber nur ein Spiel gemacht – und zwar zwei Minuten lang. Da habe ich schon überlegt, was ich jetzt mache. Ausleihen lassen? Ganz weggehen? Ich wollte einfach mehr spielen. Am Ende hat es sich ausgezahlt, zu bleiben. In der 2. Liga habe ich dann direkt meine Einsätze bekommen. Werder war für mich der beste Weg.
Hat sich Ihr Standing im Team verändert seit Sie Nationalspieler sind?
Ja, ich denke schon. Das liegt aber auch daran, dass ich jetzt schon länger dabei bin. So etwas entwickelt sich Schritt für Schritt. Ich habe das Gefühl, dass alle sehen, wie hart ich arbeite und das auch wertschätzen. (dco)