Matchplan von Werder-Coach Werner geht auf
Mit Geduld und Effizienz: Werder lässt gegen Hertha keine Zweifel zu – die Taktik-Analyse
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Werder Bremen lässt Hertha BSC beim 4:2-Sieg keine Chance. Selbst vom Trainerwechsel auf der anderen Seite ließ sich Ole Werners Team nicht beeindrucken. Eine stabile Abwehr und Geduld im eigenen Ballbesitz waren der Schlüssel, dass nie ein Zweifel am Bremer Sieg aufkam. Die Taktik-Analyse der DeichStube.
Berlin - Effizienz mag keine Eigenschaft sein, die Werder-Anhänger mit ihrer Mannschaft verbinden. Aus Fansicht vergibt die eigene Elf immer mehr Chancen, als einem selbst lieb ist. Blickt man auf die nackten Zahlen, gehört Werder Bremen zu den effizientesten Teams der Liga. Gerade einmal 6,5 Schüsse geben Werders Spieler pro Tor ab. Kein Konkurrent weist einen niedrigeren Wert auf. Auch bei den Expected Goals – einer Statistik, welche die Qualität der Chancen misst – gehört die Mannschaft von Trainer Ole Werner zu den Teams, die aus wenig Chancen viele Tore herausholen. Diese Qualität half Werder auch gegen Hertha. Die eigene Effizienz war indes nicht der einzige Grund für den Sieg. Werder überzeugte mit Geduld im Ballbesitzspiel und verteidigte vor allem in der ersten Halbzeit äußerst stabil.
Werder Bremen in der Taktik-Analyse: Neuer Trainer bei der Hertha, neues System
Es gehört zu den undankbareren Aufgaben im Profigeschäft, auf einen Gegner zu treffen, der gerade erst den Trainer gewechselt hat. Normalerweise erschwert dies die Vorbereitung. Bei Herthas neuem Coach Pal Dardai wussten die Bremer jedoch, was sie bekommen. Dardai stand bereits zweimal an der Berliner Seitenlinie. Seine taktische Ausrichtung im Spiel gegen Werder Bremen erinnerte an glorreichere Tage der Hertha: Wie bereits in der Vergangenheit stellte Dardai sein Team in einem 4-2-3-1 auf. Auffällig waren die klar verteilten Rollen zwischen einem defensiven Sechser, einem weit vorne agierenden Zehner und einem dazwischen umherschwirrenden Achter. Auch das ist typisch Dardai.
Werders Trainer Ole Werner ließ sich vom gegnerischen Trainerwechsel nicht verrückt machen. Er setzt ohnehin fast immer auf dieselbe taktische Formation. Auch gegen Hertha begann Werder Bremen in einer Mischung aus 5-3-2 und 3-4-3. Leonardo Bittencourt gab den Wechsel zwischen beiden Systemen vor. Immer wieder rückte er aus dem Mittelfeld vor, um den gegnerischen Sechser zu verfolgen. Werder griff dann mit drei Stürmern vorne an. Hervorheben lässt sich aus der ersten Halbzeit vor allem Werders defensive Leistung. Sie verteidigten kompakt aus ihrer eigenen Ordnung. Hertha BSC versuchte, das Spielfeld in die Länge zu strecken. Die Außenstürmer rückten ins Zentrum ein und boten sich in der Spitze ein. Die Außenverteidiger hingegen agierten tiefer. Hertha wollte auf den Flügeln Lücken finden und den Ball anschließend hinter die Abwehr spielen.
Werder agierte clever: Sechser Christian Groß ließ sich häufig als zusätzlicher Spieler in die Abwehr fallen. Damit verfolgte er nicht nur die Läufe seines Gegenspielers Marco Richter. Er erlaubte auch Werders Außenverteidiger, im Pressing etwas gewagter herauszurücken. Werder Bremen stand dennoch stabil in der letzten Linie. So gewann Werder eine Mehrzahl der Luftduelle.
Taktik-Analyse: Führung spielt Werder Bremen in die Karten
Dass Werder Bremen häufig aus dieser kompakten Defensivordnung verteidigen konnte, lag maßgeblich an der frühen Führung. Marvin Ducksch traf bereits nach sechs Minuten. Er hatte die Lücke zwischen gegnerischem Außen- und Innenverteidiger attackiert. Diese Schwachstelle griff Werder fortan öfter an. Die Viererkette der Gäste wirkte nicht eingespielt. Mit der frühen Führung im Rücken musste Werder im Pressing nicht das letzte Risiko gehen. Hertha baute das Spiel aus der eigenen Abwehrreihe auf, fand aber gegen die gut sortierten Bremer keine Lücken. Im Mittelfeld agierte Werder gewohnt nah am Mann. Die Außen deckten die Außenverteidiger ab, und Groß‘ Aufstocken in letzter Linie verhinderte, dass Hertha über lange Bälle Raumgewinn erzielen konnten. Dass Hertha gegen die zuletzt nicht immer sattelfeste Bremer Defensive bis zur Pause gerade einmal drei Verlegenheitsschüsse zustande brachte, unterstreicht die fehlende Spielstärke des Abstiegskandidaten.
Der SV Werder Bremen tat gut daran, nicht nur bei gegnerischem Ballbesitz geduldig zu agieren. Gewann Werder die Kugel, setzten die Bremer nicht immer sofort zum Konter an. Stattdessen spielten sie den Ball zurück in die eigene Abwehr. Hertha BSC ging im eigenen 4-2-3-1-Pressing kaum Risiken ein. Selten bis nie wagten sich alle drei Angreifer ins Pressing. Werder konnte den Ball in der eigenen Abwehr laufen lassen, getreu dem alten Motto: Hat man selbst den Ball, kann der Gegner kein Tor erzielen. Dass Werder trotz Vorsprung und einer eher passiven Spielweise gegen den Ball zur Pause mehr Ballbesitz hatte, spricht Bände über den zurückhaltenden Auftritt des Gegners.
Hertha BSC schenkt Werder Bremen Tore - die Taktik-Analyse
Offensiv genügte Werder Bremen ein effizienter, aber größtenteils glanzloser Auftritt, um die nervöse Hertha-Abwehr vierfach zu überwinden. Hertha hatte nicht nur große Mühe mit Pässen in die Schnittstellen zwischen Außen- und Innenverteidiger. Auch Flanken auf den zweiten Pfosten verteidigte Herthas Viererkette schwach. Die Spieler rückten weit zum Ball, sodass stets ein Werder-Spieler am zweiten Pfosten freistand. Vor dem 3:0 (51.) dürfte Ducksch selbst kaum geglaubt haben, so viel Zeit im gegnerischen Strafraum zu erhalten. Die Hertha kann für sich immerhin einen Leistungssprung in der zweiten Halbzeit verbuchen. Pal Dardai hatte zur Pause gleich dreimal gewechselt. Taktisch agierte Hertha weiterhin im 4-2-3-1, stellte sich im Mittelfeld nun aber anders auf. Der neue Zehner Kevin-Prince Boateng forderte die Bälle häufiger im zentralen Mittelfeld. Hertha schuf hier nun bewusst Überzahlen – und fand damit die Lücken in der Bremer Ordnung. So kam Hertha noch zu zwei Ehrentreffern.
Die Partie war indes bereits nach dem 4:0 in der 63. Minute entschieden. Werder Bremen musste nicht die letzte Kraft aufwenden, um das Ergebnis über die Zeit zu bringen. Beim nie gefährdeten Sieg hätte Werder durchaus sogar noch mehr Tore machen können. Dass die ersten beiden eigenen Chancen direkt im Kasten landeten, trug indes einen wesentlichen Teil zum Sieg bei. Ob man es glauben mag oder nicht: Werder bleibt eins der effizientesten Teams der Liga.