Ex-Bayern-Profi vor Werder im DeichStube-Gespräch
Bayern-Legende Pfaff im DeichStube-Interview über seinen Werder-Patzer: „In Bremen werde ich immer sofort erkannt“
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Hört ein Fan des SV Werder Bremen den Namen Jean-Marie Pfaff, hat er in der Regel sofort eine Szene im Kopf: Im August 1982 lenkte der damalige Keeper des FC Bayern München einen Einwurf von Uwe Reinders ins eigene Tor. Im DeichStube-Interview spricht Pfaff über seinen Patzer sowie das anstehende Duell, seine besondere Beziehung zu Bremen und die Krise in München.
Antwerpen – Ausgerechnet in seinem ersten Bundesligaspiel für den FC Bayern München leistete sich Jean-Marie Pfaff einen bösen Patzer – und der SV Werder Bremen jubelte. Denn die Grün-Weißen durften sich im August 1982 dank des Eigentores über einen 1:0-Heimsieg freuen. Pfaff wurde dennoch zur Torwartlegende des FC Bayern, gewann mit den Münchnern drei Meisterschaften sowie zwei Pokalsiege und wurde 1987 sogar als Welttorhüter ausgezeichnet. Im Interview mit der DeichStube spricht der 69-jährige Belgier, der in der Nähe von Antwerpen lebt, vor dem Duell des SV Werder gegen den FC Bayern am Samstag (18.30 Uhr im DeichStube-Liveticker) über seine besondere Beziehung zu Bremen, die Krise in München und eine zu große Macht der Spieler.
Wann haben Sie zum letzten Mal mit Uwe Reinders gesprochen, Jean-Marie Pfaff?
Oh, das weiß ich gar nicht. Es ist schon lange her.
Vor 41 Jahren haben Sie im Weserstadion einen langen Einwurf von Uwe Reinders ins eigene Tor gelenkt und Werder Bremen damit einen 1:0-Sieg gegen die Bayern geschenkt. Wie denken Sie heute über diesen legendären Treffer?
Ich sage ja immer: „Wenn Jean-Marie ein Tor gefangen hat, dann war es natürlich unhaltbar.“ Doch Spaß beiseite. Es war eine dumme Aktion, allerdings nicht allein meine Schuld. Es war eine Co-Produktion mit Klaus Augenthaler, es war ein Unfall. Aber man kann es auch positiv sehen. Dieses Tor hat meinem Freund Uwe Reinders einen Preis beschert: das Tor des Monats. Und es hat meinen Bekanntheitsgrad gesteigert: Ich werde immer sofort erkannt, wenn ich nach Bremen komme.
Wie haben Sie damals die Rivalität zwischen dem FC Bayern und dem SV Werder erlebt?
Ich habe immer gerne im Weserstadion gespielt. Ein schönes Stadion, tolle Fans, begeisterungsfähig, aber stets fair. Es waren immer schöne Spiele, hart umkämpft, ob in München oder in Bremen. Vor allem waren es Partien auf einem ganz anderen Niveau, mit mehr Qualität, mehr Klasse. In Bremen sind viele Freundschaften von mir entstanden – mit Otto Rehhagel, Willi Lemke, Rudi Völler, Bruno Pezzey oder Norbert Meier.
FC Bayern-Legende Jean-Marie Pfaff im DeichStube-Interview: „Zum Glück ist Werder Bremen jetzt wieder erstklassig“
In jener Zeit waren Werder Bremen und der FC Bayern München auf Augenhöhe.
Leider ist das nicht mehr so. Zum Glück ist Werder jetzt wieder erstklassig. Mir hat es fürchterlich weh getan, als der Club abgestiegen ist. Ich hoffe, dass Werder die Klasse hält, sich stabilisieren und dann wieder eine führende Rolle in der Bundesliga einnehmen kann. Aber lassen Sie mich eines noch sagen.
Sehr gerne!
Ich verstehe nicht, was sich in Deutschland bei den Traditionsvereinen abspielt. Was passiert in Hamburg? Was in Stuttgart? Was in Berlin? Was in Düsseldorf? Alles große Städte mit viel Wirtschaftskraft, mit genügend Geld. Das sind doch alles keine kleinen Dörfer. Früher spielte sich da das Fußballleben ab – und heute ist da fast tote Hose. Da lobe ich mir Werder, wo nach dem Abstieg sofort ein Aufbäumen eingesetzt hat und der Wiederaufstieg geschafft wurde.
In der Bundesliga dominiert seit einer Ewigkeit Ihr Ex-Club Bayern München. Doch nun herrscht dort eine große Unruhe. Wie nehmen Sie das wahr?
Das ist eine traurige Geschichte, die ich so nie und nimmer erwartet hätte. Bayern war schon zu meiner Zeit eine große Familie. „Mia san mia“ war der Anspruch. In den letzten Wochen ist da viel verlorengegangen. In einer Ehe passiert immer etwas. Doch was mit Julian Nagelsmann geschehen ist, kann ich nicht nachvollziehen. Die Resultate waren da: in der Champions League weiter, im Pokal weiter, in der Liga vorne. Logisch war dieser Trainerwechsel nicht. Man muss ganz klar festhalten: Die Geduld, die so wichtig ist im Fußballgeschäft, sie ist verloren gegangen.
So könnte die Startelf-Aufstellung des SV Werder Bremen gegen den FC Bayern München aussehen!
Vor Werder Bremen gegen FC Bayern München - Jean-Marie Pfaff im Interview: „Das Herz bei Bayern ist verschwunden“
Wie bewerten sie die Arbeit der Bayern-Bosse?
Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic versuchen sicherlich, das Beste für den Verein zu tun. An der Person Kahn möchte ich aber etwas festmachen: Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich zwei Jahrzehnte im Tor stehe oder einen Job in der Führung habe, wo ich in der Verantwortung stehe und den Kopf für alles hinhalten muss. Das ist eine andere Dimension. Und in der Ära Kahn beobachte ich einfach eine schlechte Entwicklung. Das Herz bei Bayern ist verschwunden.
Können Sie Ihre Kritik konkretisieren?
Es geht wie immer um Kohle, es geht ums Geld, um viel Geld. Mit Geld kannst du vieles machen, alles machen. Die Münchner haben zuletzt viel Geld ausgegeben, zum Beispiel mit einem langen Vertrag für den entlassenen Julian Nagelsmann. Oder auch für Profis, für teure Leute, die ein Tor schießen, das Vereinslogo küssen und zwei Monate später nicht mehr da sind, weil etwas nicht so läuft. Ich habe immer gekämpft für meinen Arbeitgeber und bin nicht weggelaufen.
Haben die Spieler zu viel Macht?
Jedenfalls geht es manchmal viel zu schnell. Spieler sind nach ein, zwei guten Spielen schon Weltstars. Und einige beanspruchen zu viel, wollen Einfluss. Sie wollen Chefs sein, wollen bestimmen, wollen Politik machen. Das geht nicht. Sie können und sollen Chefs auf dem Platz sein. Doch das Sagen haben immer noch die Präsidenten und Vorsitzenden. Persönlichkeiten wie früher Uli Hoeneß, der ein Gespür dafür hat, wenn etwas im Club und bei der Mannschaft schiefläuft. So sehe ich auch seinen Besuch unlängst beim Training.
In München wird auch viel über die Torhüter diskutiert. Yann Sommer wurde aus Gladbach für den verletzten Manuel Neuer geholt und steht in der Kritik. Wie sehen Sie das als ehemaliger Weltklassetorwart?
Zu Neuer: Ich hoffe für ihn, dass er zurückkommt nach der schweren Verletzung. Er hat es nicht leicht, weil sein Torwarttrainer nicht mehr da ist. Wie ich höre, hat er noch Lust. Wenn die Gesundheit mitspielt, kann er noch zwei Jahre im Tor stehen. Doch mit 37 Jahren muss er auch wissen: Die Natur kann man nicht überlisten. Nun zu Sommer: Er ist ein guter Keeper, der auch bei Bayern sein Bestes gibt. Natürlich ist er nicht fehlerfrei, doch er hat es auch schwer, weil es in der Mannschaft nicht läuft. Ich halte die Kritik an ihm für überzogen.
FC Bayern-Legende Jean-Marie Pfaff im Interview: „München ist klarer Favorit, Werder Bremen der krasse Außenseiter“
Wie groß ist für die Bayern am Samstag die Hürde Werder Bremen auf dem Weg zur Meisterschaft?
Es ist natürlich nicht mehr dieses Topspiel wie früher, als ich im Kasten stand. München ist klarer Favorit, Werder der krasse Außenseiter, der nur überraschen kann. Mein Tipp: Die Bayern machen es, sie lassen im Weserstadion keine Punkte liegen.
Also sind die Bayern doch nicht zu stoppen und werden wieder Meister?
Ich denke schon. Dortmund hatte die große Chance. Sicher war Pech dabei mit dem Schiedsrichter und dem nicht gegebenen Elfer in Bochum. Doch es kann nicht sein, dass sie im Derby und auch in Stuttgart nicht gewinnen. Die Borussen haben die Riesenchance nicht genutzt, nun ziehen die Bayern durch.
Werder hat den Klassenerhalt noch nicht ganz sicher - und dann droht im Sommer der Verlust von Toptorjäger Niclas Füllkrug. Wie bitter wäre das für die Bremer?
Ich kann den Spieler verstehen. Er hat sich in den Vordergrund gespielt, ist Nationalspieler geworden. Da ist es legitim, dass er sich umsieht. Und es darf auch nicht die andere Seite der Medaille vergessen werden. Sein Transfer würde Werder viel Geld bringen, das dem Club in der wirtschaftlichen Notlage sicherlich helfen könnte.
Herr Pfaff, danke für das Gespräch!
Moment noch: Grüßen Sie bitte Uwe Reinders und sagen sie ihm: Wenn wir uns demnächst wiedersehen sollten, trinken wir ein oder zwei Bier. (hgk)