Norbert Siegmann bestritt einst 241 Pflichtspielen (15 Tore) für den SV Werder Bremen - heute feiert er seinen 70. Geburtstag.
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Norbert Siegmann bestritt einst 241 Pflichtspielen (15 Tore) für den SV Werder Bremen - heute feiert er seinen 70. Geburtstag.

Mit Werder ab- und sofort wieder aufgestiegen

Viel mehr als nur ein brutales Foul: Werder-Legende Norbert Siegmann feiert seinen 70. Geburtstag

Bremen - Er war fast zehn Jahre lang beim SV Werder Bremen, Zweitligameister, Aufsteiger - und blieb trotzdem vor allem für eines in Erinnerung: Sein „Allerweltsfoul“, das maximal unglücklich zu einem der brutalsten Fouls der Bundesliga-Geschichte wurde. Heute feiert er einen runden Geburtstag: Alles Gute zum 70. Ehrentag, Norbert Siegmann!

Nach verschiedenen Stationen in Berlin und einem kurzen Intermezzo beim VfB Stuttgart wechselt Norbert Siegmann im Juli 1976 zum SV Werder Bremen. Hier verbringt der Defensivspieler, der zumeist als Innenverteidiger aufläuft, den Großteil seiner Karriere. In insgesamt 241 Pflichtspielen (15 Tore) steht er für Grün-Weiß auf dem Rasen, darunter auch 27 Mal auf internationaler Bühne. In der Liste der Bremer Rekordspieler reiht er sich damit immerhin in der Top-50 ein: Platz 42, nur ein Spiel weniger als Stürmer und Fan-Liebling Wynton Rufer.

Die ersten drei Siegmann-Saisons beendet Werder ohne größere Abstiegssorgen in der unteren Tabellenhälfte. 1979/80 ist es dann aber so weit: Das Gründungsmitglied der Bundesliga steigt erstmals in seiner Geschichte ab - damals in die in Nord und Süd geteilte 2. Bundesliga. Wie auch Jahre später nach dem zweiten Bremer Abstieg 2021 schafft Werder damals aber den direkten Wiederaufstieg. Siegmann ist dabei eine feste Größe, spielt in 40 von 42 Spielen und erzielt immerhin vier Tore. Eines davon am 12. Mai 1981 zur frühen 1:0-Führung beim Auswärtssieg über den VfB Oldenburg. Ein wichtiges Tor, denn Werder steht nach dem 3:0-Erfolg im Stadion Donnerschwee zwei Spieltage vor Schluss als Aufsteiger fest.

241 Pflichtspiele für Werder Bremen: Norbert Siegmann und das verhängnisvolle Foul an Ewald Lienen

Das Foul

Doch auf die große Aufstiegseuphorie und einen 4:2-Auswärtssieg samt Siegmann-Tor gegen Mönchengladbach am ersten Spieltag der Saison 1981/82 folgt schon eine Woche später der große Schock, der Siegmanns Leben verändern soll. Es läuft die 20. Spielminute am 14. August 1981 im Bremer Weserstadion. Werder gegen Arminia Bielefeld. Flutlichtspiel. Die Gäste schlagen einen Freistoß aus dem linken Halbfeld auf die rechte Seite zu Ewald Lienen. Norbert Siegmann, als Rechtsverteidiger aufgeboten, nimmt sich seinem Gegenspieler an, springt von vorne mit beiden Beiden voran in Richtung Ball - und trifft Lienen unglücklich, aber gleichzeitig brutal am Oberschenkel. Mit dem Stollen schlitzt Siegmann das Bein des Stürmers regelrecht auf. Zuerst bemerkt es noch keiner so richtig, dann aber springt Lienen auf und rennt wie wild in Richtung Bremer Trainerbank - mit einer 23 Zentimeter langen Fleischwunde am rechten Oberschenkel. Der Vorwurf: Werders späterer Erfolgstrainer Otto Rehhagel habe Siegmann angestiftet, Lienen hart zu foulen. Eine Anschuldigung, die sogar vor Gericht geht und eine längere juristische Aufarbeitung nach sich zieht. Am Ende werden Siegmann und Rehhagel freigesprochen.

Ewald Lienen (Arminia Bielefeld) hält sich nach Norbert Siegmanns (Werder Bremen) brutalem Foul den aufgeschlitzten Oberschenkel.

Die Folgen

Norbert Siegmann, der für das Foul nur die Gelbe Karte sieht, bekommt nach eigenen Aussagen in der Folge Morddrohungen aus ganz Europa und sieht sich einer regelrechten Hetzjagd ausgesetzt. Manche machen gar einen Attentäter aus ihm. Vorwürfe und Erfahrungen, wegen der er wochenlang unter Polizeischutz steht und die ihn noch über Jahre begleiten sollen. Aus dem Täter ist irgendwie ein Opfer geworden. Lienen auf der anderen Seite kann - Gott sei Dank - ohne schlimmere Folgen schon vier Wochen später wieder spielen. Nach dem 1:0-Hinrunden-Sieg steht Siegmann im Rückspiel in Bielefeld übrigens nicht im Kader. Trainer Otto Rehhagel verfolgt den 2:0-Erfolg des SV Werder Bremen mit kugelsicherer Weste und unter Polizeischutz.

Mit Werder Bremen ab- und aufgestiegen: Ex-Profi Norbert Siegmann feiert seinen 70. Geburtstag

Die Versöhnung

Das erste persönliche Wiedersehen zwischen Norbert Siegmann und Ewald Lienen gibt es erst 2012. Der „Kicker“ organisiert 31 Jahre nach dem verhängnisvollen Duell ein Treffen, bei dem sich die beiden Ex-Profis versöhnen. „Es hat mich geheilt“, sagte Siegmann im Anschluss gegenüber dem Magazin „11FREUNDE“, nachdem er lange wegen des Fouls und dessen Folgen gelitten habe. Auch Lienen kann den Vorfall abhaken und zeigt sich mitfühlend: „Für Norbert hat das alles eine viel größere Dimension erreicht als für mich, was mir wirklich leid tut.“

Die Zeit danach 

Nach jenem Abendspiel, das Siegmann seine gesamte Karriere weiter begleiten soll, bleibt er übrigens noch viereinhalb Jahre in Bremen, wird in den letzten eineinhalb aber nicht mehr eingesetzt. Im Januar 1986 wechselt Siegmann deshalb in die 2. Bundesliga zu Fortuna Köln. Dort bestreitet er aber nur zwei Spiele, ehe er im Sommer des gleichen Jahres mit Knieproblemen seine Karriere beendet. Danach bereist Siegmann die Welt, lebt unter anderem in Mexiko und lange in Indien. Später kehrt er als Ernährungsberater und Entspannungscoach nach Bremen zurück, wo er 1983 noch als aktiver Spieler mit Wolfgang Döhling die Kneipe Taubenschlag im Peterswerder eröffnet hatte. Die Kultkneipe ist längst zum Treffpunkt für Fans des SV Werder Bremen geworden. Somit bleibt Siegmanns Name eben nicht nur durch jenes Foul mit dem SV Werder verbunden, sondern auch durch die Fans, die bis heute auf den Mitgründer ihrer Lieblingskneipe anstoßen können. Alles Gute, Norbert Siegmann! (tos)

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