Moderationsverfahren ist gescheitert
Werder Bremen kann sein Leistungszentrum in der Pauliner Marsch nicht bauen wie erhofft - und jetzt?
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Das Leistungszentrum des SV Werder Bremen in der Pauliner Marsch muss dringend modernisiert werden, doch von den Anwohnern gibt es Widerstand. Nun ist klar: Das Moderationsverfahren des Clubs ist endgültig gescheitert - und jetzt?
Bremen – 41 Seiten stark ist das Papier, auf dessen Titelblatt dick und fett das Wort „Abschlussbericht“ prangt – aus Sicht des SV Werder Bremen muss es sich wie ein Dokument des Scheiterns lesen. Die Kernaussage des Berichts, vermerkt auf Seite sechs, ganz unten, sagt nämlich aus, dass das Moderationsverfahren für einen dringend notwendigen Umbau des Leistungszentrums (LZ) in der Pauliner Marsch nicht fortgesetzt wird. Was nichts anderes bedeutet als: Jene Pläne für ein neues LZ in unmittelbarer Nähe zum Wohninvest Weserstadion, die Werder im November 2018 noch mit großer Euphorie der Öffentlichkeit vorgestellt hatte, sind viereinhalb Jahre später geplatzt. Endgültig.
Während des jahrelangen Moderationsverfahrens mit verschiedenen Workshops und Ortsbesichtigungen ist es nicht gelungen, zu einem Konsens mit den Anwohnern am Osterdeich zu kommen – ganz im Gegenteil. „Aus der erhofften Annäherung ist starke Entfremdung geworden“, ist von Beteiligten zu hören, die der DeichStube namentlich bekannt sind. Werder Bremen werfen sie unter anderem „Vertrauensbruch“ und „keinerlei Kompromissbereitschaft“ vor.
Werder Bremen: Kein neues Leistungszentrum in der Pauliner Marsch
Letztendlich stimmte das 17-köpfige Begleitgremium des Moderationsverfahrens, dem neben Werder-Funktionären und Anwohnern auch Politiker und Vertreter anderer Vereine aus der Pauliner Marsch angehörten, mehrheitlich gegen eine Fortsetzung des Verfahrens (9:7 bei einer Enthaltung). „Die Entscheidung ist gefallen, und für uns als Verein ist sie außerordentlich bedauerlich. Wir hatten gehofft, zu einem politischen Konsens zu kommen. Dass es nach drei Jahren nicht weitergeht, ist ernüchternd“, sagte Werder-Präsident Hubertus Hess-Grunewald am Freitag. Der 62-Jährige war selbst Mitglied des Begleitgremiums gewesen – und kündigte an: „Wir müssen jetzt Alternativen prüfen, die wieder vollkommen offen sind. Bisher hatten wir auf die Pauliner Marsch gesetzt. Im Stadtgebiet einen anderen Standort zu finden, ist außerordentlich schwierig.“ Einen in der Vergangenheit immer mal wieder ins Spiel gebrachten Umzug ins niedersächsische Umland, etwa in die Gemeinde Weyhe, bezeichnete Hess-Grunewald zwar als „Ultima Ratio“, schloss ihn aber nicht gänzlich aus.
Schon seit vielen Jahren will (und muss) Werder Bremen sein marodes Leistungszentrum in der Pauliner Marsch modernisieren, um im Verdrängungswettbewerb Profifußball langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Anders formuliert: Verheißungsvolle Nachwuchstalente von einem Wechsel ins Werder-LZ zu überzeugen, ist ziemlich schwierig, wenn die Gebäude den Charme einer Bezirkssportanlage aus den 1970er Jahren versprühen – erst Recht dann, wenn sich die Spieler tags zuvor die Hightech-Tempel in Leipzig, Wolfsburg oder München angesehen haben. Um in der Pauliner Marsch bauliche Veränderungen in bisher gewünschter Größenordnung vornehmen zu können, benötigt der Verein allerdings die Zustimmung der Anwohner, von denen rund 400 über im Grundbuch festgeschriebene Grunddienstbarkeiten verfügen, mit denen sie Bauvorhaben in der Pauliner Marsch per Veto verhindern können. Nach Informationen der DeichStube hat Werder versucht, diese Grunddienstbarkeiten juristisch anzufechten, was bei den Anwohnern nicht gut ankam. Der Verein widerspricht dem allerdings.
Moderationsverfahren gescheitert - was wird jetzt aus den LZ-Plänen des SV Werder Bremen?
Dass es sich bei der Pauliner Marsch in unmittelbarer Nähe zur Weser um ein Hochwasserschutzgebiet mit wichtigen Ausgleichsflächen handelt, in dem nur unter strengen Auflagen gebaut werden darf, verkompliziert die Pläne des Vereins ebenfalls. Während des gesamten Moderationsverfahrens war es einer der Hauptkritikpunkte der Anwohner, die zudem strikt gegen das angedachte neue Stadion für rund 5.000 Zuschauer waren. „Angesichts des Klimawandels und des dadurch bedingten Ansteigens des Meeresspiegels wird die Pauliner Marsch in Zukunft regelmäßig überschwemmt werden“, sagte Steffen Eilers, der für die Grünen im Beirat Östliche Vorstadt sitzt und Mitglied des Begleitgremiums war. Und weiter: „Es war am Ende großer Konsens, dass Werder in der Pauliner Marsch bleiben soll. Es geht aber um die Frage, wie man den Standort nachhaltig sichern kann. Und das, was Werder als Konzept auf den Tisch gelegt hat, ist nicht die nachhaltige Lösung, die wir brauchen.“ Was wiederum unweigerlich zur Frage führt: Und jetzt?
Denkbar sind mehrere Optionen. So kündigte Präsident Hess-Grunewald am Freitag an, dass der Verein die bestehenden (und abgelehnten) LZ-Pläne entsprechend der Kritikpunkte aus dem Moderationsverfahren angleichen, sprich: eindampfen will. „Der Standort Pauliner Marsch ist nicht vom Tisch, aber wir müssen jetzt schauen, wie sich die Pläne entsprechend verändern lassen. Irgendwann gibt es dabei aber sicherlich einen kritischen Punkt, an dem wir sagen müssen, dann geht es hier nicht.“ Auch die Pläne für ein abgespecktes LZ müssten unter Umständen von den Anwohnern abgesegnet werden, möglicherweise sogar über ein neues Moderationsverfahren – mit neuem Begleitgremium. Das bestehende hat sich komplett aufgelöst, auch die politischen Ansprechpartner sind künftig andere.
Deshalb strebt Werder Bremen nach Informationen der DeichStube kein weiteres Verfahren an, sondern prüft, in welchem Rahmen es gestattet ist, die Bestandsbauten ohne Anwohner-Vetorecht zu modernisieren. Aktuell ist das die priorisierte Lösung des Vereins, dessen Verhältnis zu Teilen seiner Nachbarschaft regelrecht vergiftet wirkt. Gegenüber der DeichStube erklärte eine Bremerin, dass sich Teile der Anwohnerschaft wegen ihrer Ablehnung der LZ-Pläne vom Verein als „Werder-Hasser stigmatisiert“ fühlten. Die Verantwortung für das ,,Horrorszenario, für jeden, der den SVW mag“, also einen Umzug nach Niedersachsen, werde den Anwohnern zugeschoben. „Es waren aber Argumente, die gegen das Vorhaben sprechen. Nicht einzelne Personen mit Partikularinteressen. Die Verantwortung für das Debakel liegt auch in der Weigerung seitens Teilen des SVW begründet, den Gedanken überhaupt zuzulassen, das LZ vom Rest der in der Pauliner Marsch verbleibenden Fußballsparte räumlich zu trennen“, betont die Frau.
Anwohner von Werder Bremen als „Werder-Hasser stigmatisiert“?
Laut Hess-Grunewald wird auch so eine Option nun geprüft, ebenso wie ein Komplett-Umzug innerhalb der Stadtgrenzen. Während des Moderationsverfahrens hatte sich das Bremer Planungsbüro BPW anhand verschiedener Kriterien neben der Pauliner Marsch weitere Areale im Stadtgebiet angesehen – und hatte sowohl bei der Galopprennbahn, im vorderen Woltmershausen (auf dem Brinkmann-Gelände), in der Osterholzer Feldmark, an der Herzogin-Cecilie-Allee (Überseestadt), im Tamra-Park in Hemelingen sowie auf den Flächen nordöstlich der Gesamtschule Ost Argumente gegen ein LZ gefunden. Nur für die Pauliner Marsch gaben die Stadtplaner letztlich Grünes Licht für einen hochwasserschutzangepassten Bau. Dass der im Grunde nicht zu finanzieren ist, steht dabei noch auf einem ganz anderen Blatt Papier.
In einer Konzeptstudie aus dem Jahr 2020 hatte Werder Bremen die Kosten für ein neues LZ in der Pauliner Marsch auf rund 57 Millionen Euro taxiert. Inzwischen dürfte die Summe deutlich größer sein. Von 75 Millionen Euro war zuletzt die Rede. „Werder kann das LZ nicht aus eigener Kraft finanzieren, und haushaltspolitisch ist es für das Land Bremen im Grunde ebenfalls nicht machbar“, merkte der renommierte Bremer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Rudolf Hickel als Gastredner in einem der Workshops an. Am Freitag betonte er gegenüber der DeichStube: „Wenn nicht mehr im Hochwasserschutzgebiet gebaut wird, erleichtert sich die Finanzierung des Investments. Private Investoren kommen dann wieder in Frage. Denn das Problem der Pauliner Marsch ist doch: Kein Investor ist gewinnbar, weil Versicherungen das Hochwasserrisiko nicht übernehmen.“ (dco)
Letzter Text vom 19. Mai 2023, 11.19 Uhr:
Herbe Pleite für Werder Bremen: Plan für Leistungszentrum-Ausbau in der Pauliner Marsch gescheitert
Eine wirkliche Überraschung ist es nicht, aber trotzdem eine herbe Niederlage für den SV Werder Bremen: Das Moderationsverfahren für einen dringend notwendigen Umbau des Leistungszentrums in der Pauliner Marsch in unmittelbarer Nähe des Wohninvest Weserstadions wird nicht fortgesetzt. Das ergab eine Abstimmung im Begleitgremium. Von den 17 Teilnehmern sprachen sich neun gegen eine Fortsetzung des Verfahrens aus, sieben dafür, es gab zudem eine Enthaltung. Das wurde am Freitagmorgen auf einer Pressekonferenz mitgeteilt. Werder Bremen muss mit seinem Leistungszentrum nun wohl umziehen.
„Die Entscheidung ist gefallen, und für uns als Verein ist sie außerordentlich bedauerlich. Wir hatten gehofft, zu einem politischen Konsens zu kommen. Dass es nach drei Jahren nicht weitergeht, ist ernüchternd“, sagte Werder Bremens Präsident Hubertus Hess-Grunewald und kündigte an: „Wir müssen jetzt Alternativen prüfen, die wieder vollkommen offen sind. Bisher hatten wir auf die Pauliner Marsch gesetzt. Im Stadtgebiet einen anderen Standort zu finden, ist außerordentlich schwer.“ Deshalb sei es auch vorstellbar, dass der SV Werder mit dem Leistungszentrum nach Niedersachsen zieht.
Werder Bremens Leistungszentrum: Moderationsverfahren ist gescheitert - folgt jetzt der Umzug?
Werder Bremen will das marode Leistungszentrum schon seit Jahren erneuern, benötigt dafür aber auch die Zustimmung der Anwohner. Deswegen wurde ein jahrelanges Moderationsverfahren durchgeführt mit verschiedenen Workshops und Vertretern aller Interessensgruppen. Geplant waren Neubauten an Platz 11 inklusive eines Stadions mit einem Fassungsvermögen von 5000 Zuschauern – und all‘ das in einem Hochwasserschutzgebiet. Dagegen gab es große Bedenken, auch was die Finanzierung betrifft. „Wir müssen konstatieren, dass die von uns vorgestellte Konzeptstudie in der Pauliner Marsch in der Form nicht durchzusetzen ist“, gestand Hess-Grunewald.
So ganz verabschieden will er sich aber noch nicht von einer Zukunft des Leistungszentrums im Schatten des Weserstadions: „Der Standort Pauliner Marsch ist nicht vom Tisch, aber wir müssen jetzt schauen, wie sich die Pläne entsprechend verändern lassen. Irgendwann gibt es da sicherlich einen kritischen Punkt, an dem wir sagen müssen, dann geht es hier so nicht.“ Das würde aber erneut viel Zeit benötigen – und die hat das LZ nicht, der Zustand ist schon lange nicht mehr tragbar. (ausführlicher Bericht folgt) (kni/dco)