Die Karriere des Werder-Stars

Die Identifikationsfigur mit dem Torriecher: Werder-Stürmer Niclas Füllkrug wird 30 und hat ereignisreiche Jahre hinter sich

Schwere Verletzungen, Kabinenzoff, Torjäger bei Werder Bremen und Deutschlands WM-Hoffnung: Niclas Füllkrug hat bereits eine ereignisreiche Karriere hinter sich - an diesem Donnerstag wird er 30 Jahre alt.

Bremen – Lässig lümmelt Niclas Füllkrug auf dem Rasen herum. Ganz so, wie ein normaler 14-Jähriger das eben macht, wenn er bei einem Fußballturnier nicht mehr im Einsatz ist. Die Szene stammt aus dem Jahr 2007, seit Kurzem ist sie bei Youtube zu finden. Füllkrug, der im Sommer zuvor zum SV Werder Bremen gewechselt war, bekommt in dem kurzen Video prompt ein Mikrofon unter die Nase gehalten und soll ein Interview über das Abschneiden seines U15-Teams geben. Die Art und Weise, wie er schon damals reflektiert über die grün-weißen Darbietungen spricht, ist durchaus beeindruckend und gibt einen Vorgeschmack auf das, was da in den weiteren Jahren noch folgen sollte. Nicht nur verbal. Inzwischen ist Niclas Füllkrug ein Bundesliga-Star, Toptorjäger, Publikumsliebling und Teil der deutschen Nationalmannschaft. Am heutigen Donnerstag feiert er seinen 30. Geburtstag.

Werder Bremens Niclas Füllkrug legt innerhalb der Mannschaft auch mal den Finger in die Wunde, wenn es sein muss

Um offene Worte ist der Stürmer auch in der Gegenwart nicht verlegen. Egal, ob Werder Bremen gewinnt oder verliert, Niclas Füllkrug stellt sich fast immer, pariert auch kritische Fragen oder gibt mal gewitzte Antworten. Diese kommunikative Vielseitigkeit wird nicht nur von Fans und Journalisten geschätzt, sondern auch intern. Seit einiger Zeit nimmt Füllkrug am Osterdeich in dieser Hinsicht eine exponiertere Rolle ein, legt innerhalb der Mannschaft auch mal den Finger in die Wunde, wenn es sein muss. Gern auch mal lauter. Florian Kohfeldt hatte sich einst diese noch deutlichere Vehemenz gewünscht und vorangetrieben – damals, als er Werder-Trainer und Füllkrug wieder sein Angreifer war. 2019 setzten sie eine Zusammenarbeit fort, die einst schon viel früher, in Werders Jugendbereich, begonnen hatte. „Als ich ins Internat gekommen bin und mich nicht so wohlgefühlt habe, war er der Erste, der das gespürt und gesagt hat: Wollen wir morgen Abend mal was essen gehen, ich lade dich auf einen Salat ein“, sagte Füllkrug einmal über die Begegnung mit Kohfeldt, die sich in der Folge zu einem freundschaftlichen Verhältnis entwickelte.

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Parallel bastelte der gebürtige Hannoveraner an seinem sportlichen Werdegang. Schon damals nicht ganz ohne Komplikationen, wie eine Anekdote aus der Vergangenheit zeigt, die er in einem Interview zum Besten gegeben hat: „Im Training ist mir mal was ganz Schlimmes passiert. In Bremen bin ich – noch in der Jugendzeit – mit einem Mitspieler zusammengekracht, sein Zahn ist in meinem Kopf steckengeblieben. Das war der Wahnsinn“, schilderte Niclas Füllkrug. „Der Zahn hat die Blutung an meinem Kopf gestoppt, aber es war wegen der Bakterien, von denen es gerade im Mund ja viele gibt, sehr gefährlich. Wir mussten beide ins Krankenhaus, bei mir wurde alles gesäubert und anschließend geflickt.“ Und so konnte es weiter aufwärts gehen. 2011 debütierte der Offensivakteur schließlich für die U23 des SV Werder Bremen in der 3. Liga, wenige Monate später durfte er sogar bei den Profis unter Chefcoach Thomas Schaaf ran. Kurz danach gelang ihm gegen Augsburg tatsächlich der erste Bundesligatreffer.

Knorpelschaden in beiden Knien: Werder Bremens Niclas Füllkrug drohte ein jähes Karriereende

Doch so temporeich ging es nicht weiter. Im Gegenteil. Es drohte sogar ein jähes Karriereende. Im Januar 2013 erlitt Niclas Füllkrug den ersten Knorpelschaden im rechten Knie, knapp zwei Jahre später zog er sich die gleiche Verletzung auf der linken Seite zu. Da stand er bereits beim 1. FC Nürnberg unter Vertrag, zuvor hatte er auf Leihbasis bei der SpVgg Greuther Fürth gespielt. Im Frankenland gelang Füllkrug ungeachtet der vorherigen Hiobsbotschaften der Zweitliga-Durchbruch, Werder Bremen verzichtete trotz Option aber auf eine Rückholaktion, weshalb die Reise bei Hannover 96 weiterging. Dort spielte sich der kopfballstarke Profi, der stets „Fülle“ oder „Lücke“ gerufen wird, weiter in den Vordergrund, stand 2018 vor einem millionenschweren Wechsel zu Borussia Mönchengladbach – doch dann verletzte er sich wieder am Knie. Das brachte Werder ins Spiel, für 6,2 Millionen Euro gingen die Bremer vor dreieinhalb Jahren ins finanzielle Risiko und holten den Stürmer doch noch wieder zurück. Füllkrug startete stark, aber nach einem harmlos aussehenden Trainingszusammenprall waren das Kreuzband und der Außenminiskus gerissen. Werder wurde kritisiert, Füllkrug wieder einmal abgeschrieben.

Doch er kämpfte sich erneut zurück. Auch als der SV Werder Bremen abstieg, blieb der Stürmer. Als der damalige Trainer Markus Anfang ihn wenig später loswerden wollte, blieb er ebenfalls. Und als Ole Werner dann Coach am Osterdeich wurde, drehte Niclas Füllkrug so richtig auf. Auch dank seiner Treffer ging es zurück in Liga eins, für die der Leistungsträger mit einem neuen Vertrag ausgestattet wurde, allerdings auch zu deutlich geringeren Bezügen. Während das um ihn herum intensiv diskutiert wurde, gab er sich selbst ganz locker bei dem Thema. „Wir verdienen alle genug Geld, um unsere Familie zu ernähren und ein tolles Leben zu führen. Es wird auch bei anderen Spielern der Fall sein, dass sie Verträge unterzeichnet haben, die sie vor Corona nicht unterschrieben hätten.“

Niclas Füllkrug: „Ich bin total glücklich bei Werder Bremen“

Mit Worten wie diesen steigerte er seine Beliebtheit nur noch mehr. Und mit guten Leistungen. So gute, dass er kürzlich sogar zur WM fahren durfte, dort trotz des frühen Ausscheidens auch im höheren Alter noch zum deutschen Shootingstar avancierte. Plötzlich tauchten Wechsel-Spekulationen auf – auch weil Niclas Füllkrug wenig später den Berater tauschte. Wieder gab es allerlei Wirbel um seine Person, wieder demonstrierte Füllkrug Gelassenheit. „Ich bin total glücklich bei Werder“, betonte der Familienmensch unlängst im DeichStube-Interview und erneuerte seine Vereinsliebe auch, als das Winter-Transferfenster kurz vor der Schließung stand. „Ich bin gerne hier und finde auch, dass es immer Charakter zeigt, wenn man lieber Dinge dort anpackt, wo man vor Ort ist, als vielleicht einen leichten Schritt irgendwohin zu machen und das dann da zu haben“, so der Stürmer von Werder Bremen.

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Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Gedanke noch länger im Kopf von Niclas Füllkrug verweilt, das heutige Geburtstagskind vielleicht auch im nächsten Sommer einen möglichen Transfer ausschlägt – selbst wenn Spieler und Club beide davon finanziell profitieren könnten. Gönnen würde es dem Torjäger von Werder Bremen wohl jeder. Doch Identifikationsfiguren lässt man eben nur ungern ziehen. Man freut sich viel mehr darüber, dass man sie hat. Wie heißt es doch so passend im Geburtstags-Klassiker von Rolf Zuckowski? „Wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst.“ (mbü)

Rubriklistenbild: © Imago Images

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