Von Frank Hellmann. Niclas Füllkrug bestätigt auf eindrucksvolle Art und Weise in seinem bevorzugten System mit zwei Spitzen, dass er bei der Nationalmannschaft eine Stütze bis zur EM 2024 werden kann. Dafür muss der Karriereplan des 30-jährigen Stürmers von Werder Bremen gut überlegt sein.

Mainz - Seine wärmende Mütze, seine kräftige Stimme und sein breites Grinsen ergaben in der gut befüllten Mixed Zone der Mainzer Arena am Samstagabend ein gutes Sinnbild. Niclas Füllkrug sprach noch mal so laut und deutlich, wie es Deutschlands Nummer neun schon auf dem Platz getan hatte. Der einzige Nationalspieler, der bei der vermasselten WM in Katar Werbung in eigener Sache betreiben konnte, prägte auch den Neustart der DFB-Auswahl: Der Erfolg im Freundschaftsspiel gegen Peru (2:0) ging auf das Konto des Doppeltorschützen vom SV Werder Bremen (12./33.), der nach Spielzügen über den starken Kai Havertz und dem forschen Debütanten Marius Wolf seine Länderspielbilanz auf fünf Tore nach fünf Spielen ausbaute.

Nicht schlecht für einen 30-Jährigen, der vielleicht am meisten von der Umstellung auf einen Doppelsturm profitierte. „Wir hatte eine gute Strafraumbesetzung, viele gegenläufige Bewegungen: Das hat Spaß gemacht“, sagte der Matchwinner. Es sei auch darum gegangen, „die Fans mitzunehmen.“ Wenn Profis so authentisch bleiben wie der durch Höhen und Tiefen gegangene Mittelstürmer des SV Werder Bremen, klappt das. Niclas Füllkrug ist dafür prädestiniert, die Leerstelle an Sympathieträgern zu füllen.

Werder Bremens Niclas Füllkrug überzeugt im Testspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Peru

Bei der öffentlichen Regenerationseinheit vor einer Woche im Stadion am Brentanobad in Frankfurt-Rödelheim brandete der meiste Applaus auf, als Niclas Füllkrug ins Publikum winkte – die Menschen spüren eben, wer sein Herz am rechten Fleck hat. Und wie unverkrampft der Profi des SV Werder Bremen dann in einer Pressekonferenz auch über Themen wie die Rückkehr zur schwarz-rot-goldenen Binde sprach, machte Eindruck. In Windeseile hat sich der Familienvater mit der Statur eines Möbelpackers zu einem meinungsstarken Anker entwickelt, der mit Blick auf die Heim-EM 2024 wichtig wird.

Von Völler bis Füllkrug: Diese Werder-Profis wurden Bundesliga-Torschützenkönig

Ailton – 2003/2004: Krönung der Double-Saison! Der Brasilianer feierte mit Werder Bremen nicht nur die Deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokal-Sieg…

… sondern wurde mit 28 Toren auch Torschützenkönig. Im Bild: Ailtons legendärer Schlenzer gegen den FC Bayern zum 3:1-Sieg, der Werder Bremens Meistertitel 2004 eintütete.

Miroslav Klose – 2005/2006: Und ewig fliegt der Salto! Der Nationalstürmer in Diensten des SV Werder Bremen ballerte sich mit 25 Toren zum Torschützenkönig.

Dafür bekam Miroslav Klose vom damaligen „kicker“-Chefredakteur Rainer Holzschuh die Torjägerkanone verliehen. Mit Werder Bremen wurde er 2005/06 Vizemeister.

Niclas Füllkrug – 2022/2023: Bei Aufsteiger Werder Bremen reichen Niclas Füllkrug 16 Tore zur Torjägerkanone.

Hansi Flick negiert gar nicht mehr, dass hier ein Prototyp Führungsspieler um die Ecke gekommen ist, als er bundesweit vor der WM nach einem Brecher fahndete. Schlussendlich von Niclas Füllkrug überzeugt war der Bundestrainer an einem Freitagabend im Herbst 2022 als Augenzeuge eines Bundesligaspiels in Sinsheim direkt vor seiner Haustür in Bammental: Werder gewann damals glücklich bei der TSG Hoffenheim dank eines von Füllkrug verwandelten Elfmeters. Aus der Verlegenheitslösung ist längst ein zentraler Baustein geworden. „Niclas ist besonders. Sehr selbstbewusst, er kann die Mannschaft mitziehen und gibt ihr sehr viel positive Energie“, sagte Flick nach dem 2:0 gegen Peru. Einziger Tadel, den der 58-Jährige im ZDF verteilte: Auch der Torjäger des SV Werder Bremen habe sich einige einfache Ballverluste geleistet.

„Niclas Füllkrug ist besonders“: Bundestrainer Hansi Flick lobt Werder Bremens Torjäger nach dem Testspiel gegen Peru

Doch Flicks System war erkennbar auf den Stoßstürmer zugeschnitten, was dieser öffentlich zugab, nachdem er selbst für zwei Spitzen („die Vorteile überwiegen“) geworben hatte. „Ich bekomme hier meine Situationen im Strafraum. Toll, dass ich hier schon so eingebunden bin“, sagte Niclas Füllkrug. So wie er bei Werder Bremen mit Partner Marvin Ducksch Doppelpass spielt, halfen ihm im Nationalteam die Tiefenläufe von Timo Werner.

Nun muss der Torjäger des SV Werder Bremen die nächsten Wochen zusehen, dass er verletzungsfrei bleibt – denn Anfang Juni soll es nach Ewigkeiten gegen die Ukraine mal wieder ein Länderspiel in Bremen geben. Seiner Vorfreude über dieses Ereignis hat Füllkrug bereits Ausdruck verliehen. Es deutet sich an, dass es vielleicht eine Art Abschiedsspiel für ihn wird. Dass ihn Werder kaum mehr halten kann (und bei entsprechenden Ablöseangeboten auch nicht halten will), wird immer wahrscheinlicher. Niclas Füllkrug wird darauf achten, dass er einen Club wählt, der ihm wie in Bremen regelmäßige Einsatzzeiten garantieren kann. Sonst könnte der Traum von der Heim-EM schnell wieder platzen.

Werder Bremens Niclas Füllkrug hat in fünf Länderspielen für Deutschland bereits fünf Tore erzielt

Über künftige Arbeitgeber wird sicher nun noch mehr spekuliert. Und das könnte Werder Bremen noch stören, wenn mit dem Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim (Sonntag, 17.30 Uhr im DeichStube-Liveticker) der Kampf um den endgültigen Klassenerhalt weitergeht. Aber Niclas Füllkrug macht einen geerdeten Eindruck. Er ist oft mit Führungsspielern wie Joshua Kimmich im Austausch; in der Hierarchieleiter hat der grün-weiße Gewinnertyp, der einen Großteil seiner Karriere als Zweitliga-Goalgetter verbrachte, beim DFB mehrere Stufen übersprungen. Natürlich verkörpert er nicht das Komplettniveau eines Harry Kane aus England oder eines Romelu Lukaku vom nächsten Gegner Belgien, aber Füllkrug ist gerade die beste deutsche Antwort auf diese Angreifer. Dazu einer, dem die Fans, Mitspieler und Medienvertreter gerne zuhören. Da gibt es schlechtere Pakete.