Werder-Präsident im Interview
„Wir spüren einen enormen Werder-Hype“: Hess-Grunewald über die Strahlkraft des Clubs und eine große Chance, neue Mitglieder zu gewinnen
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Werder Bremens Präsident Hubertus Hess-Grunewald spricht im DeichStube-Interview über den Fan-Auflauf in Berlin, seinen Traum von 100.000 Mitgliedern und eine Reform der Mitgliedschafts-Modelle.
Bremen - 25.000 Werder-Fans während des Auswärtsspiels bei Hertha BSC – diese Zahl hat am vergangenen Wochenende bundesweit für Aufsehen gesorgt. Im Interview mit der DeichStube spricht Vereinspräsident Hubertus Hess-Grunewald (62) über den aktuellen Hype rund um Werder Bremen und verrät seinen Traum von einer ganz besonderen Mitgliederzahl, der Werder mit einer Kampagne demnächst ein Stückchen näherkommen will.
Herr Hess-Grunewald, die 25.000 Fans, die Werder Bremen zum Auswärtsspiel bei Hertha BSC nachgereist sind, haben bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Wie haben Sie den vergangenen Spieltag erlebt?
Ich war selbst vor Ort und habe den Fanmarsch zum Olympiastadion mitgemacht. Es war wirklich beeindruckend, diese positive Energie, die da ausgestrahlt wurde. Die Stimmung war ausgelassen, aber auch entschlossen. Die Fans haben keinen Zweifel daran gelassen, dass wir in Berlin drei Punkte holen werden.
Was am Ende ja auch gelungen ist. Aber mal unabhängig vom Spiel selbst – wofür steht diese große Zahl an Auswärtsfans? Was drückt Sie aus?
Sie unterstreicht eindrucksvoll, dass Werder Bremen eine enorme Strahlkraft hat und hohe Sympathiewerte genießt. Das merken wir aber nicht erst seit dem Hertha-Spiel. Wir sind bei Heimspielen seit Jahren durchgehend ausverkauft, was den Heimbereich betrifft. Wir haben eine Warteliste für die Dauerkarten, auf der jedes Jahr zwischen 8.000 und 11.000 Menschen stehen, obwohl wir schon 27.000 Dauerkarten vergeben. Zudem mobilisieren wir generell unglaublich viele Auswärtsfans, im Schnitt fast 7.000. Auch die Nachfrage nach Frauenfußball steigt, unsere Fußballschule ist ausgebucht, und die Sportabteilungen sind voll. Dazu kommt, dass wir nahezu ausvermarktet sind. Die Nachfrage etwa nach Business-Seats und Logen ist sehr hoch. Wir spüren also von vielen Seiten einen enormen Werder-Hype.
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Werder-Bremen-Präsident Hubertus Hess-Grunewald träumt von 100.000 Mitgliedern
Wie erklären Sie sich den?
Die Euphorie rund um den Aufstieg hat im vergangenen Jahr für eine positive Grundstimmung gesorgt, die sich bis heute fortgesetzt hat. Natürlich auch, weil die Mannschaft in der laufenden Saison sportliche Highlights gesetzt hat. Jetzt haben wir wieder die alten Sympathiewerte, die wir früher lange hatten. Das liegt an Auftreten und Haltung des Vereins gepaart mit sportlichem Erfolg. Das Spiel in Berlin war da nochmal ein Kulminationspunkt.
Im vergangenen Dezember hat Werder stolz einen neuen Mitgliederrekord in Höhe von 42.207 verkündet, was verglichen mit anderen Traditionsclubs jedoch eher wenig ist. Wie lässt sich der aktuelle Hype für die Gewinnung neuer Mitglieder nutzen?
Wir schauen natürlich auch auf die anderen Traditionsvereine und sehen, dass Köln und Frankfurt beispielsweise jenseits der 100.000-Mitglieder-Marke liegen. Ich frage mich, warum sollte sich nicht auch Werders Mitgliederzahl in diese Richtung entwickeln? Das ist durchaus ein Traum von mir. Natürlich nicht als kurzfristiges Ziel von heute auf morgen, aber stetig, wenn es uns gelingt, die Euphorie weiter zu entfachen und am Leben zu erhalten und die Mitgliedschaft auch künftig attraktiv auszugestalten.
Werder Bremen plant Kampagne für neue Mitglieder und denkt über Reform der Mitgliedschaften nach
Die letzte Kampagne, mit der der Verein aktiv neue Mitglieder geworben hat, liegt schon lange zurück. Wäre jetzt nicht ein guter Zeitpunkt für eine neue?
Das ist gerade unsere Überlegung, denn natürlich ist es die Aufgabe, zu prüfen, wie wir mehr Mitglieder gewinnen können. Diesen Auftrag hat das Präsidium schon vor einiger Zeit an die zuständigen Fachabteilungen erteilt. Im Februar 2024 wird Werder Bremen 125 Jahre alt. Dieses besondere Jubiläum würden wir gerne mit der positiven Grundstimmung in einer Kampagne bündeln. Daran arbeiten wir intensiv.
Mit 168 Euro pro Jahr für erwachsene Vollmitglieder ist die Mitgliedschaft bei Werder Bremen die teuerste aller Bundesligavereine. Muss der Betrag gesenkt werden?
Wir sind aktuell dabei, über die Mitgliedschaftsmodelle zu sprechen. Wir haben eine Mitgliederteilung in Voll- und Fördermitglieder. Deswegen hinkt der Vergleich unter allen Bundesligavereinen auch, denn Fördermitglieder zahlen bei uns einen reduzierten Beitrag (84 Euro pro Jahr, Anm. d. Red), haben dafür aber kein Stimmrecht und können nicht ohne Zusatzkosten die Sportangebote des Vereins nutzen. Wir überlegen, ob wir das Modell ein Stück weit reformieren.
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Hubertus Hess-Grunewald: Beiträge der Mitglieder für den SV Werder Bremen eine wichtige Einnahmequelle
Wie groß ist der wirtschaftliche Faktor, den die Mitgliedsbeiträge für den Verein bedeuten?
Die Beiträge der Mitglieder sind für den gemeinnützigen Sportverein die weitaus größte Einnahmequelle. Sie machen mit jährlich rund 2,5 Millionen Euro etwa zwei Drittel der Gesamtsumme aus. Danach kommt die Lizenzgebühr, die die ausgegliederte Kapitalgesellschaft für die Nutzung der Markenrechte und der Rechteverwertung bezahlt. Die Mitgliedsbeiträge sind uns auch deshalb sehr wichtig, weil Werder Bremens gesamtes soziales Engagement über den Verein läuft und sie die Grundlage dafür bilden.
Seit einiger Zeit schon gibt es innerhalb des Vereins die Idee, eine Fan- und Mitgliederabteilung zu gründen, wie es sie in anderen Clubs bereits gibt. Wie weit sind die Pläne fortgeschritten?
Wir arbeiten in dieser Sache mit einer Gruppe von Fans aus verschiedenen Bereichen zusammen. Sie haben im März in der großen Präsidiumssitzung ihre Ideen vorgestellt. Im Rahmen der strategischen Entwicklung des Vereins steht das Thema auf der Agenda. Es ist ein seriöser Austausch, dessen Ausgang aber noch offen ist. Es gibt seitens des Präsidiums durchaus Wohlwollen, weil sich die Fanvertreter gut vorbereitet haben und seriös argumentieren. Bis zur Mitgliederversammlung im November werden wir vermutlich noch nicht so weit sein, dass wir das Thema zur Abstimmung bringen können. Auch den Fans ist es wichtig, dass es vernünftig erarbeitet wird, nicht in Eile. Man braucht schließlich eine Zweidrittel-Mehrheit in der Mitgliederversammlung, um die Abteilung gründen zu können. (dco)