Der SV Werder Bremen agierte in der zweiten Halbzeit gegen den FC Schalke 04 zu passiv. Dass Trainer Ole Werner an seinem 5-3-2-System festhielt, half den Bremern nicht, meint Kolumnist Tobias Escher in seiner Taktik-Analyse.
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Der SV Werder Bremen agierte in der zweiten Halbzeit gegen den FC Schalke 04 zu passiv. Dass Trainer Ole Werner an seinem 5-3-2-System festhielt, half den Bremern nicht, meint Kolumnist Tobias Escher in seiner Taktik-Analyse.

Werders Matchplan geht nur bis zur Pause auf

Zu passiv: Wie Werder Schalke zum Comeback einlud – die Taktik-Analyse

Der SV Werder Bremen hadert nach dem 1:2 beim FC Schalke 04 mit der eigenen Leistung. Gerade in der zweiten Halbzeit agierten die Bremer zu passiv, meint unser Kolumnist Tobias Escher in seiner Taktik-Analyse. Dass Ole Werner stur am 5-3-2 festhielt, half nicht.

Vor ziemlich genau einem Jahr machte Werder Bremen einen gewaltigen Schritt Richtung Aufstieg. Das 4:1 beim FC Schalke 04 verdrängte die letzten Restzweifel, was die Rückkehr in die Bundesliga betraf. Ein Jahr später kehrte Werder zurück in die Veltins-Arena – und diesmal fand das Spiel unter gänzlich anderen Bedingungen statt. Von der Leidenschaft, die Werder vor einem Jahr auszeichnete, war wenig zu spüren. Im Gegenteil: Die fußballerisch unterlegenen Schalker rangen Werder nieder.

Werder Bremen gegen den FC Schalke 04 in der Taktik-Analyse: Keine Überraschungen in der Bremer Aufstellung

Coach Ole Werner musste auch beim FC Schalke 04 auf seinen besten Torjäger verzichten. Anstelle von Niclas Füllkrug startete Maximilian Philipp. Er bildete zusammen mit Marvin Ducksch den Doppelsturm innerhalb des Bremer 5-3-2-Systems. Ansonsten gab es auf Seiten des SV Werder Bremen keine personelle Überraschung.

Auch Schalkes Trainer Thomas Reis hielt an seinem System fest. Der frühere Coach des VfL Bochums favorisiert die 4-2-3-1-Formation. Die defensive Vorgehensweise des FC Schalke 04 ähnelt der Taktik des SV Werder Bremen: Auch die Königsblauen setzen auf eine enge Deckung und das Spiel Mann-gegen-Mann. Die Schalker Mittelfeldspieler verfolgen ihre Gegenspieler auf Schritt und Tritt. So gab es auf beiden Seiten viele direkte Duelle. Christian Groß duellierte sich mit Rodrigo Zalazar, Werders Doppelacht aus Leonardo Bittencourt und Jens Stage sah sich der Schalker Doppelsechs gegenüber.

Werder Bremen interpretierte die eigene Manndeckung in dieser Partie etwas defensiver als gewohnt. Die beiden Stürmer liefen die gegnerischen Innenverteidiger nur selten früh an. Die Außenverteidiger hielten sich ebenfalls zurück. Die Viererkette des FC Schalke 04 durfte den Ball in der eigenen Hälfte laufen lassen. Dieses Vorgehen hatte Kalkül: Werder wollte Schalke das Spiel überlassen.

Werder Bremen gegen den FC Schalke 04 in der Taktik-Analyse: Schnelle Konter führen Bremer zunächst zum Erfolg

Schalkes Verteidiger bekleckerten sich im Spielaufbau nicht mit Ruhm. Sie wählten häufig den langen Ball. Besonders oft flog dieser auf die halbrechte Seite. Der Versuch, Kenan Karaman in den Raum hinter Marco Friedl zu schicken, ging nicht auf. Werder Bremen verteidigte die langen Bälle des FC Schalke 04 routiniert.

Dabei half auch Christian Groß: Bereits beim 4:2-Sieg gegen Hertha hatte sich der Sechser des SV Werder Bremen häufig in die Abwehr fallen lassen. Als kopfballstarker Verteidiger half er, die langen Bälle des Gegners zu klären. Diese Idee ging auch gegen den FC Schalke 04 auf. Da die Schalker selten den Ball ins Mittelfeld wagten, konnte Groß den Raum vor der Abwehr preisgeben.

Während der FC Schalke 04 in der ersten halben Stunde kaum Torgefahr ausstrahlte, wurde Werder Bremen immer wieder gefährlich. Mit schnellen Pässen auf die Stürmer versuchten sie, nach Ballgewinnen die Unordnung in der Schalker Defensive auszunutzen. Der Führungstreffer von Marvin Ducksch zum 1:0 (18.) unterstrich, dass die Bremer über mehr Spielstärke verfügen als Mitaufsteiger Schalke: Nach einem Einwurf kombinierte sich Werder mit wenigen flachen Pässen bis vor das gegnerische Tor. Gut zu erkennen war bei diesem Treffer der typische Laufweg von Rechtsverteidiger Mitchell Weiser: Er zog diagonal ins Zentrum, bot sich in der Sturmspitze an und schuf damit eine Lücke für Ducksch auf der halbrechten Seite.

Werder Bremen gegen den FC Schalke 04 in der Taktik-Analyse: Bremer ziehen sich nach Führungstreffer noch weiter zurück

Nach dem eigenen Führungstreffer zog sich Werder Bremen noch weiter zurück. Zwischen der 30. und 80. Minute lag der Schalker Ballbesitz bei nahezu 65%. Werders Motto: Wir verteidigen tief und lauern auf Konter! In der ersten Halbzeit ging diese Idee auf. Dem FC Schalke 04 fiel wenig ein, außer den Ball an die Grundlinie zu passen und Flanken zu schlagen. Diese wurden für Werder nur selten gefährlich.

Nach der Pause jedoch funktionierte der Matchplan des SV Werder Bremen nicht mehr reibungslos. Der FC Schalke 04 wusste nun mehr mit dem eigenen Ballbesitz anzufangen. Sie suchten nicht mehr ständig den Weg an die Grundlinie, sondern versuchten, über die Halbräume direkt in die Strafräume zu gelangen. Vor allem Zalazar spielte sich in den Vordergrund: Als Zehner wich er häufig aus, suchte Freiräume, unterstützte die Kollegen auf den Flügeln. Groß begann mit der Zeit, seine Bewegungen wieder intensiver zu verfolgen.

Die Grafik zeigt, wie beide Mannschaften im Mittelfeld Mann-gegen-Mann gespielt haben. Vorne störte der SV Werder Bremen weniger aggressiv als sonst: Die beiden Stürmer hielten sich zurück, auch die Bremer Außenverteidiger schoben nur selten vor, um die Außenverteidiger des FC Schalke 04 zu attackieren.

Vor allem aber gelang es Werder Bremen in dieser Phase nicht mehr, für Entlastung zu sorgen. Der FC Schalke 04 spielte durchaus riskant: Die Außenverteidiger schoben weit vor, die Sechser ließen sich ebenfalls nicht in die letzte Linie fallen. Schalke sicherte eigene Angriffe mit zwei Verteidigern ab, verteidigte gegen Werders Doppelsturm also Mann gegen Mann. Doch Werders Konterversuche versandeten bereits im Ansatz. Die Bremer Passgenauigkeit lag nach der Pause bei 67%. Bei insgesamt 23 versuchten Dribblings kamen Werders Angreifer nur viermal am Gegenspieler vorbei.

Werder Bremen gegen den FC Schalke 04 in der Taktik-Analyse: Schalker Mut der Verzweiflung gegen Bremer Lethargie

Der FC Schalke 04 wurde von Minute zu Minute gefährlicher. Zehn Schüsse gaben sie nach der Pause ab. Hinzu kamen sieben Ecken, deren Qualität sich im Laufe des Spiels steigerte. Als Reis mit seinem Dreifachwechsel in der 74. Minute die Viererkette auflöste, signalisierte er: Alle Mann nach vorne! Schalke griff den SV Werder Bremen fortan im 3-4-1-2 an.

Spätestens nun wäre die Chance für Werder Bremen dagewesen, mit Kontern das Spiel zu entscheiden. Selbst als Der FC Schalke 04 nach dem Ausgleichstreffer (81.) weiterhin auf das defensiv enorm offene 3-4-1-2 setzte, spielte Werder die Bälle zu überhastet in die Spitze. Hinzu kam, dass Ole Werner bis zum Schluss am eigenen 5-3-2-System festhielt, obwohl auf der Bank keine Stürmer saßen. So musste Niklas Schmidt (77., für Philipp) im Sturm aushelfen – eine Position, die ihm merklich nicht lag. Eine Umstellung auf ein 3-4-3-System hätte Werder geholfen, das eigene Pressing zu verbessern gegen Schalkes Dreierkette.

Der FC Schalke 04 biss weiter, kämpfte sich fest. Werder Bremen vergab die beste Chance durch Marvin Ducksch – und musste in der Nachspielzeit den Treffer zum 1:2 hinnehmen. Werder verpasste es, gegen die riskante Absicherung der Schalker die entscheidenden Konter zu setzen. Auch die Strategie, sich immer weiter zurückzuziehen, spielte den Schalkern in die Karten. So war die Rückkehr auf Schalke in diesem Jahr nicht der richtungsweisende Sieg für Werder – sondern für Gegner Schalke, der damit die Chance auf den Klassenerhalt wahrt.

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