So ging Werders Matchplan auf
Taktik-Analyse: Effizientes Werder profitiert von Bochums Fehlkalkulation
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Nicht brilliert, aber doch verdient gewonnen: So lässt sich Werder Bremens 3:0-Sieg über den VfL Bochum zusammenfassen. Die Bremer profitierten von einem Gegner, der sich in seiner taktischen Grundordnung nicht wohlfühlte - die Taktik-Analyse von Tobias Escher.
Bremen - Manchmal kann Fußball so einfach aussehen. Ein langer Ball, eine Kopfballweiterleitung – und schon steht Niclas Füllkrug allein vorm gegnerischen Torhüter. Werder Bremens 1:0 gegen den VfL Bochum war ein simpler und gerade deshalb schön anzusehender Treffer. Auch vor dem 2:0 hatte Anthony Jung keine große Mühe, den freistehenden Niklas Schmidt in den Strafraum zu schicken. Wenn das Toreschießen derart mühelos wirkt, liegt das meist nicht nur am eigenen Können – sondern auch an einem Gegner, der diese Tore nicht zu verhindern weiß. Werder profitierte beim 3:0-Sieg von den Schwächen des VfL Bochum. Der Gegner fühlte sich in seinem neuen System merklich unwohl.
Werder Bremen in der Taktik-Analyse: Bochum mit ungewohnter Fünferkette
Bochums Trainer Thomas Letsch bereitete vor dem Spiel die Sperre von Anthony Losilla Kopfschmerzen. Der 36 Jahre alte Routinier führt sein Team als zentraler Mittefeldspieler, der Sechser agiert als Anker und Abräumer vor der Abwehr. Nach der umstrittenen Roten Karte gegen den SC Freiburg stand Losilla erstmals in dieser Saison nicht in der Startelf. Letsch entschied sich, die Abwesenheit seines Kapitäns durch eine Systemumstellung zu kompensieren. Bochum wich vom bekannten 4-2-3-1-System ab. Stattdessen stellte Letsch seine Mannschaft in einer Fünferkette auf. Vor der Fünferkette sicherte eine Doppelsechs ab. Die drei Stürmer hatten die Aufgabe, die Doppelsechs zu unterstützen und Pässe ins Zentrum zu verhindern.
Von der ersten Minute an fiel auf, wie unorthodox die Bochumer das System interpretierten. Die Doppelsechs war gegen das Dreiermittelfeld des SV Werder Bremen zwar permanent in Unterzahl. Dennoch verfolgte sie ihre Gegenspieler weit und entblößten damit das Zentrum noch stärker. Überhaupt fokussierten sich die Bochumer stark auf die Sicherung der Abwehrlinie. Sechs oder teils sieben Mann ließen sich in die letzte Reihe fallen. Bochum wollte gegen lange Bälle und Flanken abgesichert sein.
Werder Bremen muss sich erst finden: Die Taktik-Analyse zum 3:0-Sieg gegen den VfL Bochum
Werder Bremen benötigte etwas Zeit, um in das Spiel zu finden. Trainer Ole Werner hatte seine Elf in der bekannten 5-3-2-Formation aufgestellt. Auf rechts ersetzte Leonardo Bittencourt den noch immer fehlenden Mitchell Weiser. Er interpretierte seine Position derart offensiv, dass man von ihm fast schon als Rechtsaußen sprechen muss. Noch stärker als sonst verteidigte Werder viele Situationen mit vier Mann in der letzten Kette. In den ersten Minuten fand Werder aber nur selten den breit stehenden Bittencourt. Die Bremer ließen sich von Bochum ein kampfbetontes Spiel aufzwingen. Die Bochumer droschen praktisch jeden Ball im Aufbau lang nach vorne. Werder ließ sich von dieser Hektik anstecken und versuchte ebenfalls, den Pass auf Stürmer Niclas Füllkrug zu erzwingen. Diese Herangehensweise scheiterte zwar an Bochums starker Präsenz in der letzten Linie. Wenigstens fanden die Bremer in den Kampf um zweite Bälle, sodass sie hinten nichts zuließen.
Erst nach rund einer Viertelstunde gelang es Werder Bremen, die Kontrolle über die Partie zu übernehmen. Die Bremer ließen den Ball nun länger in ihrer Abwehr laufen. So langsam ließ sich die Spielidee erkennen: Niclas Schmidt und Jens Stage starteten immer wieder diagonal nach Außen, um hinter die Bochumer Kette zu gelangen. Bittencourt und Anthony Jung versuchten in diesen Situationen, die gegnerischen Außenverteidiger aus der Abwehrkette zu ziehen.
Werder Bremen in der Taktik-Analyse: Bochumer Schwächen im Rückraum
Lange Zeit bekam der VfL Bochum diese Bälle auf die Flügel gut verteidigt. Es offenbarten sich jedoch andere Schwächen. Im Zentrum klaffte immer häufiger eine Lücke. Wenn Werder Bremen den Ball auf dem Flügel laufen ließ, konnte die Mannschaft von Trainer Ole Werner fast immer den Pass ins Zentrum auf den freistehenden Christian Groß spielen. So konnte Werder über das Zentrum das Spiel von einer Seite auf die andere verlagern. Die zweite Schwäche der Bochumer war individueller Natur: Auf den Flügeln gewannen sie kaum Eins-gegen-Eins-Duelle. Das betraf nicht nur die Offensive, sondern auch die Defensive. Vor dem 1:0 gewann Anthony Jung das Kopfball-Duell gegen Jordi Osei-Tutu (29.). Vor dem 2:0 konnte Bittencourt gleich zweimal einen verlorenen Ball zurückerobern (43.). In diesen Situationen spielte Werder das individuelle Übergewicht auf den Flügeln aus.
Bochumer Systemumstellung ändert nichts am Spiel: Werder Bremen in der Taktik-Analyse
Thomas Letsch gab nach der ersten Halbzeit das Experiment Fünferkette auf. Der VfL Bochum kehrte nach der Pause zum bekannten 4-2-3-1-System zurück. Um Werder Bremens Dreierkette anlaufen zu können, rückte ein Außenspieler weit vor, während sich der andere zurückhielt. Bochum versuchte, die Bremer im 4-3-3 zu pressen. Werder gab die 2:0-Führung im Rücken jedoch Auftrieb. Die Bremer agierten nun wesentlich genauer im Passspiel. Nach der Pause agierten sie zudem zielstrebiger im Spiel nach vorne. Sie versuchten, über Bittencourt das hohe Pressing der Bochumer auszuspielen. Das funktionierte nicht immer, doch Werder hielt die Bochumer weit vom eigenen Kasten fern. Spätestens nach Marvin Duckschs Freistoßtreffer zum 3:0 (59.) gaben die Bochumer ihren Widerstand auf. Werder konnte Kräfte sparen und das Ergebnis verwalten.
So kamen die Bremer am Ende zu einem nie gefährdeten Sieg. Sie profitierten von einem Gegner, der mit der eigenen taktischen Ausrichtung haderte. Auch wenn der SV Werder Bremen keineswegs überragend agierte, gebührt ihm doch gerade für den Einsatz ein Lob. In der ersten Halbzeit fande er über den Kampf um zweite Bälle ins Spiel, ehe die Bremer nach dem 1:0 über ihr ruhiges Ballbesitzspiel die Partie dominierten. Mit diesen Stärken und einem schwachen Gegner kann ein Bundesliga-Sieg schon einmal ganz leicht aussehen.