Werder Bremen gegen 1. FC Köln in der Taktik-Analyse von Tobias Escher.
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Werder Bremen gegen 1. FC Köln in der Taktik-Analyse von Tobias Escher.

Werder mit Remis gegen Köln

Dank Leistungssteigerung: Wie Werder gegen Köln den Klassenerhalt sicherte - die Taktik-Analyse

Leicht fiel Werder Bremen das Spiel gegen den 1. FC Köln nicht. In der ersten Halbzeit unterstrichen die Kölner, warum sie in der Formtabelle weit vor Werder stehen. Erst nach der Pause hatte Werder dem flexiblen 4-2-3-1 des Gegners etwas entgegenzusetzen. Taktik-Kolumnist Tobias Escher analysiert Werders finales Heimspiel der Saison.

Auf dem Papier klang Werder Bremens Heimspiel gegen den 1. FC Köln nach einer machbaren Aufgabe. Die Kölner liegen nur zwei Ränge vor den Bremern. Doch das Team von Trainer Steffen Baumgart befand sich zuletzt in bestechender Form: Im April und Mai verloren sie nur eins ihrer sieben Bundesliga-Spiele, auswärts gewannen sie dreimal in Serie. Im Bremer Weserstadion stellten die Kölner unter Beweis, wie gut ihre taktischen Abläufe funktionieren. Dank einer Leistungssteigerung nach der Pause eroberte Werder dennoch einen Punkt.

Werder Bremen gegen den 1. FC Köln in der Taktik-Analyse: Niclas Füllkrug kehrt zurück

Werders Top-Torjäger Niclas Füllkrug musste in den vergangenen fünf Partien verletzt passen. Gegen Köln feierte er sein Comeback. Trainer Ole Werner stellte ihn an die Seite seines Sturmpartners Marvin Ducksch. Werder begann im bekannten 5-3-2-System. Dabei lief Werder Bremen in der vermeintlichen Stammelf auf. Werner musste erstmals seit langer Zeit keine personellen Abstriche vornehmen, sieht man vom Ausfall von Innenverteidiger Amos Pieper ab.

Der 1. FC Köln hat sich unter Trainer Steffen Baumgart den Ruf erarbeitet, intensiven und kraftraubenden Fußball zu spielen. Die Mannschaft tritt genauso auf wie der Trainer an der Seitenlinie: wild, zielstrebig, ohne Pause. Die Kölner sind vor allem für ihr starkes Pressing bekannt. Sie stören den Gegner schon weit in dessen Hälfte. Die gegnerischen Verteidiger sollen keine Zeit am Ball erhalten.

Taktik-Analyse zu Werder Bremens Klassenerhalt: 1. FC Köln mit variablem Pressing

Dass das Kölner Pressing nicht nur intensiv, sondern auch taktisch anspruchsvoll ist, unterstrichen sie in der ersten Halbzeit. Sobald Werder Bremen mit einer Dreierkette aufbaute, formte der 1. FC Köln das eigene 4-2-3-1-System zu einem 4-2-1-3 um. Die drei Angreifer liefen Werders Innenverteidiger an, während Kölns Zehner Florian Kainz Werders Sechser Ilia Gruev in Manndeckung nahm.

Die Bremer reagierte nach einiger Zeit auf dieses Pressing, indem sich Linksverteidiger Anthony Jung im Aufbau weit zurückzog. Werder Bremen baute in diesen Situationen aus einer Viererkette auf, da Rechtsverteidiger Mitchell Weiser weit vorrückte. Doch Kölns Angriff passte sich sofort an Jungs Zurückfallen an. Sie störten die Bremer nun in einem offensiven 4-2-4, wobei der Ex-Bremer Kainz weit nach vorne rückte.

Gerade dessen Intelligenz im Spiel gegen den Raum machte es Werder Bremen unmöglich, das Spiel aus der eigenen Hälfte zu tragen. Der Versuch, den Ball über Jung in den Zehnerraum zu spielen, ging schief. Werder konnte kaum für Entlastung sorgen. Die langen Bälle, die Werder besonders in der ersten Halbzeit spielte, fanden fast nie Stürmer Füllkrug.

Werder Bremen findet gegen den 1. FC Köln keinen Zugriff - die Taktik-Analyse zum Spiel

Während Köln zu jeder Zeit Druck ausübte, begannen die Bremer mit einem etwas passiveren Pressing. Sie bauten ihr 5-3-2 kurz vor der Mittellinie auf. Der Matchplan schien zu sein, im mittleren Spielfelddrittel Druck auszuüben auf den Gegner. Das gelang allerdings nur selten.

Steffen Baumgart mag für seinen intensiven Pressing-Fußball bekannt sein. Dass seine Kölner zuletzt viele Punkte geholt haben, lag hingegen an den Verbesserungen im Ballbesitzspiel. Kölns Struktur ist für den Gegner nur schwer zu greifen. Jonas Hector rückt von der Linksverteidiger-Position ins Zentrum vor, um hier eine Überzahl zu schaffen. Sechser Ellyes Skhiri wiederum ist überall auf dem Platz zu finden. Mal fällt er zwischen die Innenverteidiger zurück, mal rückt er weit vor.

Kölns Variante im Aufbau ähnelt einer 3-Raute-3-Formation. Gegen Werder Bremen waren sie mit dieser Variante gut aufgestellt: Die drei Spieler in der ersten Linie schufen eine Überzahl gegen Füllkrug und Ducksch, im Mittelfeld hatte die Vier-Mann-Raute ein Übergewicht gegen Werders Drei-Mann-Zentrum. Ständig mussten die Bremer Verteidiger herausrücken, um Gleichzahl herzustellen gegen Kölns Mittelfeld. Dennoch konnten die Grün-Weißen selten den Ball erobern. Bis zur Pause sammelte der 1. FC Köln sechzig Prozent Ballbesitz.

Die Grafik zeigt Kölns Variante im Spielaufbau – und unterstreicht zugleich, warum Werder Bremen gerade vor der Pause keinen Zugriff erhielt. Skhiri erzeugt mit den beiden Verteidigern in der ersten Linie eine Überzahl gegen Füllkrug und Ducksch. Im Mittefeld wiederum entsteht dank Hectors Einrücken eine Raute. Auch hier hat Köln eine Überzahl gegen Werder.

Spiel gegen 1. FC Köln in der Taktik-Analyse: Werder Bremen stemmt sich gegen die Niederlage

Trotz dieses Übergewichts kam der 1. FC Köln nur selten zu Chancen. Das lag nicht zuletzt an Niklas Stark: Selbst wenn Köln auf dem Flügel durchbrach, fanden ihre Flanken nur selten einen Abnehmer. Kein anderer Spieler auf dem Feld ging in so viele Kopfball-Duelle wie Stark, kein anderer Bremer gewann so viele Luftduelle. Nur in einer Situation konnte Stark nicht eingreifen: Stefan Tigges köpfte in der 36. Minute eine Flanke von Kainz ins Tor.

Mit der Führung im Rücken nahm der 1. FC Köln den Fuß vom Gaspedal. Nach der Pause stellten die Gäste vom bedingungslosen Angriffspressing auf ein abwartendes Mittelfeldpressing um. Sie bauten sich kurz vor der Mittellinie im 4-2-3-1 auf und schlossen die Passwege für Werder Bremen. Zwischen dem Wiederanpfiff und dem Treffer zum 1:1 (73.) hatten die Bremer ein Ballbesitz-Plus von 55%.

Werder Bremen gegen den 1. FC Köln in der Taktik-Analyse: Ole Werners Wechsel greifen

Es dauerte einige Minuten, ehe Werder Bremen mit diesem Ballbesitz auch etwas anzufangen wusste. Ole Werner hatte seine Elf mit seinen Wechseln merklich offensiver aufgestellt. Den eingewechselten Aushilfs-Rechtsverteidiger Romano Schmid hielt nichts hinten, und auch Niklas Schmidt rückte auf der halbrechten Position immer wieder nach vorne. Besonders über die rechte Seite leitete Werder Angriff um Angriff ein, auch weil Köln auf dieser Seite nicht so effektiv verteidigte. Schmid krönte seine starke Leistung mit dem Treffer zum Ausgleich.

Dass Werder Bremen am Ende den entscheidenden Punkt für den Klassenerhalt errang, lag nicht unbedingt an einer taktischen oder fußballerischen Glanzleistung. Sie profitierten von einer Kölner Elf, die das Tempo der ersten Halbzeit nicht aufrechterhalten konnte beziehungsweise angesichts der Tabellensituation einen Gang zurückschalten konnte. Werder genügte eine Leistungssteigerung im Ballbesitzspiel, um den für den Klassenerhalt notwendigen Punkt zu holen.

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