Trainer-Duell zwischen Werner und Tuchel
Mit Manndeckung und Mut: Wie Werder beinahe den FC Bayern geärgert hätte - die Taktik-Analyse
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Bremen - Die Hoffnungen waren gering, die Leistung dafür umso bemerkenswerter: Bei der knappen 1:2-Niederlage gegen den FC Bayern München zeigt Werder Bremen vor allem defensiv eine solide Leistung. Taktik-Kolumnist Tobias Escher erklärt, wie Werder den wichtigsten Spielmacher der Bayern aus dem Spiel genommen hat.
Seit nunmehr fünfzehn Jahren wartet Werder Bremen auf einen Bundesliga-Sieg gegen den FC Bayern München. Gerade die defensive Schwäche der Bremer besorgte die Fans vor dem 112. Duell mit dem Rekordmeister; immerhin stellt Werder die drittschlechteste Defensive der Liga. Doch gerade gegen den Ball stand Bremen über weite Strecken gut.
Taktik-Analyse: Werder Bremen mit Manndeckung gegen Bayerns Jamal Musiala
Ole Werner hielt auch im 31. Spiel der Saison am 5-3-2-System fest. Eine Überraschung bot die Startaufstellung: Romano Schmid ersetzte den weiterhin abwesenden Niclas Füllkrug. Als zweiter Stürmer agierte Schmid an der Seite von Marvin Ducksch. Im Mittelfeld setzte Werder Bremen wie gewohnt auf eine enge Manndeckung. Bayern-Coach Thomas Tuchel stellte seine Mannschaft in einem 4-2-3-1 auf. Er verzichtete auf Thomas Müller und Leon Goretzka. Mit Jamal Musiala als Zehner und Serge Gnabry als zentraler Stürmer setzte Tuchel auf eine eher spielstarke Startelf. Die Bayern-Stars gingen aber besonders in der ersten Halbzeit kaum ins Risiko. Die Außenverteidiger hielten sich merklich zurück, während die Außenstürmer auf den Flügeln Breite gaben. Die Bayern-Spieler blieben ihrer Position in fast allen Situationen treu.
Entsprechend konnten sich Werders Verteidiger darauf konzentrieren, den eigenen Plan umzusetzen. Dieser sah für Musiala eine Sonder-Überwachung vor. Der gegnerische Zehner suchte freie Räume zwischen Abwehr und Mittelfeld. Damit er keine Zeit am Ball bekam, bewachten ihn gleich zwei Spieler des SV Werder Bremen: Christian Groß verfolgte ihn, sobald er sich fallenließ. Amos Pieper wiederum rückte sofort heraus, sobald Musiala vorrückte. Fast immer, wenn der Nationalspieler den Ball bekam, traf er auf zwei Bremer Gegenspieler. Dreizehnmal versuchte Musiala, seine Gegenspieler auszudribbeln. Nur viermal blieb er erfolgreich.
Werder Bremen in der Taktik-Analyse: FC Bayern wirkt verunsichert
Die Bayern verunsicherte nicht nur die Tatsache, dass ihr bester Vorlagengeber aus dem Spiel genommen wurde. Auch ansonsten wirkten sie im Ballbesitz ungewohnt fahrig und langsam. Sie schoben den Ball hin und her, ohne eine Lücke im Bremer 5-3-2 zu entdecken. Am häufigsten versuchten der FC Bayern, über die rechte Seite anzugreifen. Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui sollte seinen Gegenspieler Anthony Jung herauszulocken. Kingsley Coman und der häufig herausrückende Sechser Ryan Gravenberch wollten den Raum dahinter besetzen. Selten bis nie konnten die Bayern jedoch Tempo aufnehmen und mit Geschwindigkeit hinter die Bremer Abwehr gelangen.
Werder Bremen wird mutiger - Das Bundesliga-Spiel gegen den FC Bayern München in der Taktik-Analyse
In den Anfangsminuten konzentrierten sich die Bremer ganz auf die Verteidigung. Erst nach einer Viertelstunde begannen sie, selbst Angriffe zu initiieren. Nach Ballgewinnen versuchte Werder Bremen, die Kugel über flache Pässe hinten herauszuspielen. Das war durchaus mutig, aufgrund der eher tiefen Positionierung der Bayern aber nicht allzu risikoreich. Selbst wenn der Ball verlorenging, standen immer noch genug Bremer hinter dem Ball.
Mit der Zeit kam Werder immer häufiger an den Ball. Die Dreierkette ließ die Kugel laufen. Die Bayern versuchten, mit einem asymmetrischen 4-3-3 diesen Aufbau zu stören. Linksaußen Sadio Mané wagte sich ins Pressing, während sich Rechtsaußen Kingsley Coman etwas zurückfallen ließ. Theoretisch hätten die Bayern mit Mané, Musiala und Gnabry die drei Bremer Innenverteidiger pressen können. Praktisch taten sie dies aufgrund von Abstimmungsproblemen so gut wie nie. Werder Bremen fand in der Folge die Räume, die Bayerns Pressing offenließ. Gerade über die rechte Seite konnte Werder einige Angriffe einleiten. Mitchell Weiser und Leonardo Bittencourt boten sich im freien Raum hinter Mané an. Aber auch lange Bälle auf den halblinks postierten Jens Stage waren ein probates Mittel, um das wachsweiche Pressing der Münchner zu überspielen. Zur Halbzeit hätte Werder führen können. Allerdings ließen sie zwei große Chancen ungenutzt.
Werder Bremen in der Taktik-Analyse: Der FC Bayern entdeckt das Tempo
Es kam, wie es kommen musste: Die Bayern erhöhten nach der Pause das Tempo und bestraften Werders mangelhafte Chancenverwertung. Sie griffen weiterhin hauptsächlich über die (halb-)rechte Seite an, streuten von dort aber vermehrt Verlagerungen ein. Vor dem Treffer zum 1:0 (62.) lockten die Bayern Werder Bremen auf die rechte Seite und wechselten anschließend den Flügel. Mané kam relativ unbedrängt zur Flanke, Musiala stocherte den Ball zu Sturmkollege Gnabry.
Dass Musiala nach der Pause häufiger freistand, lag auch an Wechseln auf beiden Seiten. Zunächst musste Pieper das Feld verletzt verlassen (55.). Sein Nachfolger Milos Veljkovic konnte die Manndeckung gegen Musiala nicht mehr so konsequent umsetzen. Das war kurze Zeit später auch gar nicht mehr möglich. Mit der Einwechslung von Thomas Müller (64.) wechselte Musiala auf die Sechser-Position, von hier zog er zusammen mit Joshua Kimmich die Fäden. So leitete er auch das 2:0 mit ein, als die Bayern das Spiel von der linken auf die rechte Seite verlagerten (72.).
Schlussspurt reicht Werder Bremen nicht zum Punktgewinn - die Taktik-Analyse
Wer dachte, nach dem 2:0 würde der FC Bayern München das Spiel verwalten, sah sich getäuscht. Werder Bremen hatte in den finalen zehn Minuten mehr Ballbesitz als der Gegner, spielte nun Angriff um Angriff. Nachdem Niklas Schmidt mit einem Traumtor das 1:2 erzielt hatte (87.), lief die Partie nur noch in Richtung des Bayern-Tors. Sinnbildlich für die Leistung des Rekordmeisters war eine Situation, die sich nach der Einwechslung von Bouna Sarr abspielte: Sarr steuerte die Position auf Linksaußen an, wurde aber von einem wütenden Thomas Tuchel auf die Rechtsaußen-Position beordert. Es dauerte eine Minute, ehe Leroy Sané verstanden hatte, dass er mit Sarr die Seiten tauschen sollte. In diese Verwirrung hinein griffen die Bremer an.
Am Ende blieb gegen die Bayern aber nur ein Achtungserfolg. Werder Bremen verkaufte sich teuer, hätte bei besserer Chancenverwertung vor der Pause mindestens einen Punkt holen können. So blieben sie auch im 27. Bundesliga-Spiel in Folge gegen den FC Bayern ohne Sieg.