Bremen - Die WM 2006. Deutschland feiert ein Sommermärchen. Mittendrin auch ein Hamburger Jung’, den es wegen seines Jobs als Fußball-Profi längst nach Bremen verschlagen hat.
Aber er trägt nicht den Adler auf der Brust, schwenkt auch keine schwarz-rot-goldenen Fähnchen. Dieser junge Mann trägt das rot-weiß karierte Trikot Kroatiens. Es ist Ivan Klasnic, vom dem die Rede ist und für den diese Weltmeisterschaft – wie für die deutschen Nationalspieler – ebenfalls eine Heim-WM ist. Ein Highlight seiner Karriere soll es werden. Doch letztlich ist dem Angreifer nicht mehr als ein Ronaldinho-Trikot im Schrank und die Erinnerung an ein unerwartetes, enttäuschendes Vorrunden-Aus geblieben. „Im Großen und Ganzen muss man sagen, dass wir versagt haben“, bewertet Klasnic das Turnier.
Es klingt längst nicht so bitter, wie man es sich vorstellen mag, wenn der ehemalige Werder-Stürmer (205 Pflichtspiele, 77 Tore) die einzige WM, an der er je teilgenommen hat, bilanziert. Klar, Kroatien blieb sieglos, schaffte es nicht, in den Spielen gegen Japan (0:0) und Australien (2:2) den zum Weiterkommen benötigten Erfolg einzufahren.
Aber das erste Gruppenspiel hatte so viel zu bieten für Klasnic und seine Kollegen, dass da im Rückblick nicht nur Frust ist. Im Berliner Olympiastadion traf Kroatien zum Auftakt auf den amtierenden Weltmeister Brasilien – und der hatte seine Stars dabei. Ronaldo, Kaka, Ronaldinho, Lucio, Robinho, Cafu – „einfach alle“, schwärmt Klasnic: „Ganz ehrlich: Das war das beste Auftaktspiel aller Zeiten für uns.“
Das Olympiastadion kochte
Noch beeindruckender als der Aufmarsch der großen Namen im gegnerischen Team waren aber die eigenen Fans auf den Tribünen. Der Veranstalter hatte extra für die Partie die Anzahl der Sicherheitsleute verdoppelt, weil er mit massivem Pyro-Einsatz durch die kroatischen Supporter rechnen musste. Tatsächlich zogen die Ordnungskräfte bei ihren Kontrollen auch mehr als 800 Stück Feuerwerk aus dem Verkehr. Klasnic schmunzelnd: „Letztlich brannten nur drei Bengalos im Stadion. Man stelle sich mal vor, die anderen 800 hätten es auch ins Innere geschafft...“
Das wäre eine ordentliche Fackelei geworden. Aber auch ohne das spezielle Feuer kochte das Olympiastadion. Brasilien, der Titelverteidiger, war schlecht. Ronaldo trottete wie eine schlechte Kopie seiner selbst über den Platz, vom Rest ging ebenfalls kein Zauber aus. Kroatien – mit Klasnic in der Startelf – war schlicht besser. „Wir hätten gewinnen können“, meint der heute 38-Jährige: „Aber wir haben es leider nicht getan. Doch gegen so einen Gegner gespielt haben zu dürfen, war trotzdem einfach sensationell.“ Kaka entschied die Partie kurz vor der Pause mit dem Tor des Tages.
Ivan Klasnic: Seine Karriere in Bildern




Einen kleinen Sieg trug Klasnic trotzdem davon. Denn vor dem Spiel hatten sich die kroatischen Spieler natürlich darüber unterhalten, wer sich welches brasilianische Trikot schnappen will. Klasnic wollte das von Barcelona-Star Ronaldinho, gegen den er im Herbst zuvor mit Werder in der Champions League gespielt hatte. Das Problem: Niko Kovac, bald Bayern-Trainer, damals Kroaten-Anführer, wollte das Trikot auch.
Doch als das Spiel vorbei war, stand Ronaldinho wartend vor der Kabinentür, um mit Klasnic zu tauschen. Um zu verstehen, wie der damalige Bremer das geschafft hat, muss man Ivan Klasnic kennen. Er kann halt sehr überzeugend sein, wenn er will. Grinsen ein: „Wir haben vor dem Spiel ein bisschen gequatscht, dann haben wir getauscht.“ Grinsen wieder aus.
Ronaldinho-Trikot als Erinnerungsstütze an die WM
Heute liegt das Trikot daheim in Hamburg im Schrank. Nicht eingerahmt, einfach gut weggepackt zwischen manch anderen. Aber es ist für Klasnic gut zu wissen, dass es da ist. Als Erinnerungsstütze an ein WM-Erlebnis, das auch ohne eigenen Treffer und ohne erlangten sportlichen Ruhm ein besonderes Erlebnis war.
Ein mögliches Heimspiel in Hamburg blieb Klasnic durch das frühe Aus übrigens verwehrt. Im Viertelfinale hätten die Kroaten im Volkspark spielen dürfen – aber so weit, sagt Klasnic, „habe ich damals tatsächlich nicht gedacht“.
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