Achter Teil: Werder-WM-Momente
Rudi Völler und die Grüppchenbildung von Mexiko
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Leverkusen/Bremen - Von Hans-Günter Klemm. Seine Bilanz liest sich so: Weltmeister 1990, Vize-Weltmeister 1986, früh ausgeschieden 1994. Dreimal startete Ex-Werder-Profi Rudi Völler den Angriff auf den wertvollsten Titel im Weltfußball.
Einmal glückte ihm mit der deutschen Nationalelf der Griff zur WM-Krone. „Doch wir hätten auch vier Jahre zuvor schon Weltmeister werden können“, bilanziert der heutige Geschäftsführer von Bayer Leverkusen. Sein Rückblick auf das Weltturnier in Mexiko und speziell auf das mit 2:3 verlorene Endspiel gegen Argentinien: „Wir waren damals einfach zu gierig und unvorsichtig. Nach meinem Ausgleich zum 2:2 wollten wir unbedingt die Entscheidung in der regulären Spielzeit erzwingen, anstatt auf die Verlängerung zu setzen.“
WM 1986 für Völler ähnlich wie 2002
Aus Völlers Sicht also ein verpasster Titel, wenngleich er gesteht: „Argentinien hat den Sieg verdient gehabt. Sie waren die beste Mannschaft bei dem Turnier und besaßen mit Maradona den herausragenden Spieler.“ Bei Deutschland, gibt der ehemalige Werder-Torjäger zu, sei „nicht alles super gewesen und rund gelaufen“.
Ohne überragende Leistungen präsentiert zu haben, sei die Truppe dennoch durchmarschiert und bis ins Finale vorgestoßen. „So ähnlich wie 2002 in Japan und Korea, wo wir auch nicht den besten Fußball gespielt haben“, erinnert Völler an das Turnier, das er als Teamchef bestritten hat. In Morelia, einem verträumten Kolonialstädtchen, hatte der DFB in der Villa Montana sein Quartier für das Turnier in Mexiko aufgeschlagen. Ein Camp, in dem auch die Journalisten geduldet waren. „Das letzte Mal übrigens“, wie „Rudi Nationale“ anmerkt. Die Anwesenheit der Medienvertreter sei nicht gerade förderlich gewesen.
Völler, der immer einen entspannten Umgang mit den Reportern pflegte, bekam die negativen Auswirkungen dieses Zusammenlebens auf engstem Raum hautnah mit. Es knisterte im Mannschaftsgefüge, zumal die Leistungen schwankten. „Es gab Grüppchenbildung, vielfache Unstimmigkeiten. Hier die Münchner Fraktion, dort die Kölner Clique.“ Völler, der einzige Bremer im Kader, hielt sich an Thomas Berthold, den Hessen, an Felix Magath, den Hamburger, der aus Hessen stammt, und den Westfalen Mathias Herget. „Wir saßen an einem Tisch und machten vieles gemeinsam. Wir saßen ein bisschen zwischen den Stühlen, waren Außenseiter.“
Höhepunkt der internen Streitigkeiten: Uli Stein und die „Suppenkasper-Affäre“. So hatte der Ersatzkeeper vom HSV den Teamchef Franz Beckenbauer tituliert, was zur Konsequenz hatte, dass Stein nach diesem Skandal nach Hause geschickt wurde. „Es war nicht immer ganz leicht für den Franz, das Ganze zu moderieren“, schildert Völler und bringt Verständnis für den Teamchef auf. „Beckenbauer hatte mit vielen Spielern noch zusammengespielt, da fällt es mitunter schwer, die Truppe zu führen.“ Vier Jahre später, beim Titelgewinn in Italien, sei dies anders gewesen: Eine neue Mannschaft, junges und frisches Blut, Beckenbauer gereift, ein souveräner Anführer.
Völler: „Mexiko ist eines meiner Lieblingsländer“
Natürlich schätzt auch Völler den WM-Erfolg 1990 in seiner ruhmreichen Karriere als den „schönsten Moment“ ein. Doch auch sein WM-Debüt habe er in bester Erinnerung, sagt er. Aus diesem Grund: „Mexiko ist eines meiner Lieblingsländer. Mir imponiert die Begeisterungsfähigkeit der Fans dort. Es war eine Weltmeisterschaft der Leidenschaft und Emotionen.“ Nie vergessen werde er die Stimmung im Azteken-Stadion, für ihn „immer noch das schönste Stadion der Welt, ein Fußball-Tempel, in den über 100.000 Zuschauer gehen. Obwohl sie schon etwas veraltet ist, liebe ich diese Arena.“
Der Leverkusener Macher schwelgt im Gespräch mit der DeichStube in Erinnerungen an ein Weltturnier, „das durch Extreme gekennzeichnet war“ – die Höhe der Spielorte, die sagenhafte Hitze und die berühmt-berüchtigte Infektionskrankheit, die Magen und Darm befällt und unter „Montezumas Rache“ firmiert. Völler schiebt alles beiseite. „Mexiko war richtig schön“, schwärmt er. Wenn nicht die eine Aktion des argentinischen Torschützen gewesen wäre, die zur 3:2-Entscheidung im Finale geführt hat. Wie aus der Pistole geschossen, nennt er den Namen: „Burruchaga“. Der Mann, der nur drei Minuten nach Völlers umjubelten Ausgleich Rudis WM-Traum 1986 zerstörte.
Die Werder-WM-Serie
Teil 1: Karl-Heinz Riedle und die kuriose Premiere vom Punkt
Teil 2: Marco Bode - Kamerun, Karriereende, verpasste Krönung
Teil 3: Ivan Klasnics einzige Beute: ein abgequatschtes Ronaldinho-Trikot
Teil 4: Günter Hermann - kein Weltmeister zweiter Klasse
Teil 5: Uwe Reinders‘ verhängnisvolle Rutschpartie in Badelatschen
Teil 6: Horst-Dieter Höttges‘ Trauma heißt auch heute noch Hurst
Teil 7: Frank Baumann und das ungewollte Souvenir