Taktik-Analyse zum 0:0 gegen Köln
Trotz Systemwechsel: Werder bleibt offensiv harmlos
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Alexander Nouri setzte gegen Köln auf ein neues taktisches System. Doch auch in der neuen Ausrichtung blieb Werder Bremen offensiv harmlos. Warum das so war, ergründet unser Taktikexperte Tobias Escher.
Drastische Zeiten erfordern drastische Maßnahmen. Acht Bundesliga-Spiele konnte Werder vor dem sonntäglichen Aufeinandertreffen mit dem 1. FC Köln nicht gewinnen. Achtmal trat Werder dabei mit einer Fünferkette in der Abwehr an. Im Kellerduell wagte Alexander Nouri nun den taktischen Neuanfang: Erstmals in dieser Saison schickte er seine Elf von Beginn an in einem 4-2-3-1 auf das Feld. Die Formation testete Nouri bereits in der zweiten Halbzeit gegen Borussia Mönchengladbach. Das neue System sollte Werder Bremen helfen, endlich wieder das Tor zu treffen.
Werders neues System
In der Tat war Werder etwas offensiver eingestellt als in den vergangenen Wochen. Zlatko Junuzovic orientierte sich als Zehner weit nach vorne, auch die Außenstürmer agierten hoch. Flankiert wurden sie dabei von den Außenverteidigern. Besonders Linksverteidiger Ludwig Augustinsson schaltete sich häufig ins Angriffsspiel ein.
Werder fokussierte sich durch Augustinssons offensive Rolle auf Angriffe über die linke Seite. Florian Kainz ließ sich etwas fallen, machte dadurch den Weg frei für Augustinsson. Häufig versuchten die Beiden, mithilfe von Doppelpässen bis an die Grundlinie durchzubrechen. Fin Bartels auf der anderen Seite war auf sich allein gestellt. Er sollte Verlagerungen annehmen und mit schnellen Dribblings durchbrechen.
Bremen übernimmt die Initiative
In den ersten Minuten war Bremens Bemühen zu spüren, das Spiel zu dominieren. Thomas Delaney agierte tief und half im Spielaufbau, Maximilian Eggestein suchte den Weg nach vorne. Bremen übernahm die Kontrolle über die Partie, während Köln sich eher auf Konter versteifte.
Doch Bremens linke Seite kam nicht wie geplant zur Entfaltung. Die Kölner erstickten die anfänglichen Offensivbemühungen der Bremer. Sie setzten ebenfalls auf ein 4-2-3-1-System. Defensiv wurde dieses System zu einem 4-4-2. Mit zwei Viererketten lauerte Köln in der eigenen Hälfte. Die Sechser unterstützten die Außenstürmer, somit blockierte Köln mit drei Spielern die Flügel. Sie verhinderten, dass Bremen effektiven Raumgewinn erzielen konnte.
Es waren in der Folge die Kölner, die mit ihren Kontern zu Chancen kamen. Sie waren exakt so wie Werder eingestellt: Leonardo Bittencourt agierte auf links etwas tiefer als Rechtsaußen Simon Zoller und bekam Unterstützung von Linksverteidiger Konstantin Rausch. Zoller bot sich auf der anderen Seite als Abnahmepunkt für Verlagerungen an.
Während Bremens linke Seite gegen Kölns tiefe Verteidigung nicht zur Entfaltung kam, gelang es den Kölnern in Kontersituationen, ihre linke Seite einzusetzen. Köln half, dass der isolierte Bartels gleich mehrere Ballverluste auf dem rechten Flügel verschuldete. Grundsätzlich schadete seine hohe Position dem Team mehr, als sie half. Köln profitierte ebenfalls davon, dass Bremens Abwehrkette nicht weit genug nach vorne schob. So gab es zwischen Gebre Selassie und Bartels einen großen Raum, in den Bittencourt stoßen konnte.
Auch im neuen System fehlt ein Zehner
Insgesamt blieben jedoch viele Aktionen auf beiden Seiten Stückwerk. Beide Teams neutralisierten sich mit ihren ähnlichen Formationen, es entstanden viele Eins-gegen-Eins-Duelle. Es schadete, dass sich auf beiden Seiten kein Zehner zwischen die gegnerischen Linien schlich. Häufig mussten beide Teams mangels Anspielpunkt im offensiven Mittelfeld auf lange Bälle setzen.
Insofern bleibt auf Bremer Seite auch im neuen System ein alter Kritikpunkt bestehen: Der Bremer Spielaufbau ist zu ausrechenbar, zu wenig kreativ. Delaney agierte tief, Junuzovic wiederum weit vorne. Mangels Anspielstation im offensiven Mittelfeld muss irgendwann der Pass auf die Außen gehen. Dort wurde Werder meist schon von zwei oder drei Kölnern erwartet. Den Bremern gelang es auch in diesem Spiel nicht, aus dem eigenen Spielaufbau Chancen zu kreieren.
Einzelkritik: Pavlenka sicher, Bartels ganz schwach




Nouris Wechsel änderten wenig an der Spieldynamik. Hajrovic (46., für Bartels) stabilisierte die rechte Seite. Johannes Eggestein (60., für Ishak Belfodil) bekam als Stürmer keine passenden Zuspiele in den Lauf, blieb daher blass. Max Kruse (82., für Kainz) deutete an, wie wichtig er für die Offensive werden kann. Doch weder Nouri noch Kölns Coach Peter Stöger rüttelten mit ihren Wechseln an ihren taktischen Systemen. Über weite Strecken der Partie entstand eine taktische Matt-Situation.
Fahrt nahm das Spiel erst in der Schlussminuten auf. Köln beorderte nun die Doppelsechs weit nach vorne, agierte in einem 4-0-2-4. Sie spielten sich selbst dank geballter Offensivpower große Chancen heraus, ließen Bremen aber auch riesige Räume zum Kontern. Doch kein Team konnte die eigenen Chancen nutzen.
Das Fazit nach der Systemumstellung fällt daher eher zwiegespalten aus: Defensiv agierte Bremen nicht ganz auf dem Niveau der ersten Saisonspiele, ließ Köln einige Male zu viel Raum zum Kontern. Offensiv blieb Bremen auch im neuen System harmlos. Die Probleme sind dieselben wie im alten 5-3-2-System: zu wenig Ideen im Spielaufbau, keine Besetzung des Zehnerraums, kein Tempo in den Aktionen. So wird das nichts mit dem Toreschießen.
Zur Person: Tobias Escher ist ein freier Journalist, der sich als Taktikexperte bundesweit einen Namen gemacht hat. Er ist Autor der Website spielverlagerung.de sowie Experte bei Bohndesliga, einem ganz besonderen Fußball-Format im Internet. Der 29-Jährige schreibt für die „Welt“ und „11Freunde“ und war als Taktikexperte auch für TV-Sender wie Sky und ZDF tätig - mal im Vorder-, mal im Hintergrund. Absolut zu empfehlen sind seine Bücher „Vom Libero zur Doppelsechs“ und „Die Zeit der Strategen: Wie Guardiola, Löw, Mourinho und Co. den Fußball neu denken“ (erscheint im März 2018). Tobias Escher wird in dieser Saison alle Pflichtspiele des SV Werder Bremen exklusiv für die DeichStube analysieren.
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