2:1-Sieg gegen Mainz 05
Taktik-Analyse: Kohfeldt erlaubt einen Blick in die Zukunft
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Bei Werder Bremens finalem Saisonspiel gegen den FSV Mainz 05 ging es um nichts mehr. Dennoch lassen sich einige Schlüsse ziehen aus Florian Kohfeldts taktischer Aufstellung. Unser Taktik-Kolumnist Tobias Escher blickt in die Glaskugel und sagt, was Werders 2:1-Sieg über die Pläne für die kommende Saison verrät.
Zum Abschluss ging es noch einmal um die goldene Ananas. Werder reiste im finalen Saisonspiel nach Mainz. Die Mainzer sicherten sich bereits vergangene Woche den Klassenerhalt, auch für Werder ging es nur noch um ein bisschen mehr Geld bei der Vergabe der TV-Gelder. Echte Sorgen hatten am letzten Spieltag andere Bundesligisten. Beide Teams hätten sich also durchaus einen lauen Sommerkick liefern können. Taten sie aber nicht.
Werder Bremens Positionsspiel
Den Bremern war von der ersten Minute anzumerken, dass sie dieses Spiel durchaus ernst nahmen. Trainer Florian Kohfeldt betonte in der Woche zuvor, er sehe dieses Spiel bereits als Vorbereitung für die kommende Saison. So sagte er dem „Kicker“, er wolle zum Saisonabschluss noch ein, zwei neue taktische Varianten einüben. So war die Aufstellung am Ende auch ein Fingerzeig, auf wen Kohfeldt in der kommenden Saison wohl baut: Florian Kainz und Milot Rashica starteten auf dem Flügel, Ishak Belfodil stand gar nicht erst im Kader.
Kohfeldt möchte auch in der kommenden Saison seinen Weg fortführen. Die Bremer sollen ein dominantes, aber auch variables Ballbesitzspiel aufziehen. Gegen Mainz übernahmen sie die Initiative. Aus einem 4-3-3-System heraus bauten sie das Spiel auf und versuchten dabei stets, Überzahlen auf dem Feld herzustellen.
Zwei Auffälligkeiten im Spiel nach vorne
Zwei Dinge fielen aus taktischer Sicht auf im Vergleich zu den Vorwochen: Das Spiel der Bremer war weniger linkslastig als zuletzt. Stürmer Max Kruse, sonst als Freigeist häufig auf der linken Seite zu finden, ließ sich auch auf die rechte Seite fallen.
Das führt zur zweiten Auffälligkeit: Bremen spielte viele Angriffe nach ähnlichem Muster. Kruse bildete zusammen mit Außenstürmer und Außenverteidiger ein Dreieck. Dieses spielte sich den Ball zu, bis ein Mittelfeldspieler (zumeist der umtriebige Maximilian Eggestein) in die Tiefe startete. Diese Variante war nicht neu, spielte Werder sie doch auch in den vergangenen Wochen vereinzelt. Doch gegen Mainz sah man diesen Spielzug noch häufiger als zuletzt.
Diese Pässe spielte Bremen in der ersten halben Stunde jedoch etwas ungenau. Das Mainzer Tiefenspiel auf der anderen Seite funktionierte wesentlich besser: Die Mainzer bauten sich defensiv in einem 4-5-1 auf und lauerten auf Konter. Die Außenstürmer rückten nach Ballgewinnen in die Mitte und starteten direkt Richtung Tor. Bremens neu sortierte Viererkette hatte große Mühe, diese Läufe der gegnerischen Außenstürmer aufzunehmen. So hatte Mainz zunächst die besseren Chancen, doch Bremen konterte die Mainzer Führung (12.) schnell mit einem Gegentreffer (23.).
Langkamps Verletzung würfelt Team durcheinander
Kurz vor Ende der ersten Halbzeit wirbelte eine Verletzung die Bremer Aufstellung durcheinander. Innenverteidiger Sebastian Langkamp musste ausgewechselt werden. Rechtsverteidiger Theodor Gebre Selassie übernahm den Posten in der Innenverteidigung, Eggestein rückte auf Gebre Selassies Rechtsverteidiger-Position.
Der eingewechselte Jerome Gondorf zeigte sich im Mittelfeld weniger umtriebig als Eggestein zuvor. Bremen zeigte nun also weniger Läufe in die Tiefe, das Ballbesitzspiel war gerade in der ersten Phase der zweiten Halbzeit mehr auf Sicherheit angelegt.
Auch das scheint ein Trend zu sein bei Bremen: Die Mannschaft legt einen hohen Fokus auf eine gute Absicherung des eigenen Ballbesitzspiels in Form eines aggressiven Gegenpressings. Gerade nach Flanken besetzen sie die Räume um den Strafraum gleichmäßig, um zweite Bälle sofort zu erobern. In vielen Situationen funktionierte dies, manchmal ließ man allerdings gegnerische Konter zu.
Offensive Wechsel auf beiden Seiten
Auch wenn es nominell um nichts mehr ging, spielten beide Trainer auf Sieg. Kohfeldt brachte mit Johannes Eggestein (67., für Rashica) einen weiteren Stürmer und stellte damit um auf ein 4-2-3-1-System mit Kruse als Zehner. Sandro Schwarz hielt an seinem 4-5-1-System fest, brachte aber zunehmend offensivere Spielertypen, sodass in der Schlussphase eher ein offensives 4-1-2-3 entstand.
Am Ende war das Matchglück auf der Bremer Seite: Mainz traf zweimal die Latte (54., 90.), Gebre Selassie hingegen das Tor (78.). Das Ergebnis war letzten Endes weniger wert als die taktischen Lektionen, die sich aus dem Spiel ziehen lassen. Kohfeldt scheint gewillt, den Weg des Ballbesitzfußballs weiterzugehen. Man kann gespannt sein, wie sich die Bremer in der kommenden Saison entwickeln werden.
Zur Person: Tobias Escher ist ein freier Journalist, der sich als Taktik-Experte bundesweit einen Namen gemacht hat. Er ist Autor der Website spielverlagerung.de sowie Experte bei Bohndesliga, einem ganz besonderen Fußball-Format im Internet. Der 30-Jährige schreibt für die „Welt“ und „11Freunde“ und war als Taktikexperte auch für TV-Sender wie Sky und ZDF tätig - mal im Vorder-, mal im Hintergrund. Absolut zu empfehlen sind seine Bücher „Vom Libero zur Doppelsechs“ und „Die Zeit der Strategen: Wie Guardiola, Löw, Mourinho und Co. den Fußball neu denken“. Tobias Escher hat in dieser Saison alle Pflichtspiele des SV Werder Bremen exklusiv für die DeichStube analysiert.
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