Bremen - Von Björn Knips. Nächster Tiefschlag, nächste Rückendeckung – so langsam wird das bei Werder zur Tradition. Auch nach der 1:2 (1:0)-Heimpleite gegen den FC Augsburg stand Trainer Viktor Skripnik im Blickpunkt. Im Weserstadion gab es nach dem Schlusspfiff eine Mischung aus deutlichen Pfiffen, ein paar Skripnik-raus-Rufen und aufmunternden Beifall. Die Fans sind unentschlossen. Die sportliche Leitung ist das nicht.
Skripnik bleibt – der aktuellen Serie von drei Pflichtspielpleiten in Folge zum Trotz. Einen Fehlstart dieser Art hatte Werder letztmalig vor 49 Jahren hingelegt, damals wurde Coach Günther Brocker gefeuert. Für Frank Baumann ist eine Trainerentlassung aber aktuell undenkbar. Der Sportchef glaubt fest daran, dass der Coach noch stark genug ist, Werder wieder aufzurichten. Und ausgerechnet Niederlagen gegen Augsburg stimmen ihn dabei zuversichtlich. „Vor fünf, sechs Monaten gab es hier schon einmal ein Spiel gegen Augsburg, in dem man klar besser war und verloren hat. Da waren alle zu 100 Prozent der Überzeugung, dass Viktor nicht die Kraft hat. Und er hat dann alle eines Besseren belehrt. Er wird das auch diesmal gemeinsam mit der Mannschaft schaffen.“
Ein ganz schwieriges Unterfangen, denn in der zweiten Halbzeit spielte Werder wieder wie ein Absteiger: total ängstlich, total ungefährlich, total platt. „Uns fehlte nach dem Ausgleich die Power, wir sind nicht mehr die nötigen Wege gegangen“, gestand Zlatko Junuzovic. Eine Bankrotterklärung. Denn das Augsburger 1:1 war bereits in der 52 Minute gefallen. Da sollte eine Bundesliga-Mannschaft noch ausreichend Kraftreserven haben. „Vieles wird im Kopf entschieden“, hielt Baumann dagegen: „Wir strotzen eben nicht vor Selbstvertrauen. Da sind Rückschläge schwierig zu verkraften.“ Kaum auszudenken, was mit diesen labilen Bremern passiert wäre, hätte Alfred Finnbogason nach einer knappen halben Stunde nicht daneben gezielt. Bei Werder war nur Späteinkauf Serge Gnabry gefährlich, dessen feine Vorlage Fin Bartels kläglich vergab. Es war die erste Chance der Gastgeber – und das nach 42 Minuten.
Den groß angekündigten Mut für dieses vermeintliche Finale hatte man bis dahin allenfalls in Ansätzen zu sehen bekommen. Aber immerhin: Plötzlich gab Werder Gas. Zuviel sogar für Augsburgs Martin Hinteregger, der Zlatko Junuzovic im Strafraum von den Beinen holte – Elfmeter. Aron Johannsson verwandelte bei seinem Heim-Comeback sicher. Es war sein erstes Tor seit fast einem Jahr. Sein zweites hätte kurz nach der Pause folgen können – erneut per Elfmeter. Doch diesmal blieb die Pfeife von Schiedsrichter Daniel Siebert stumm. Eine Fehlentscheidung, wie er später selbst gestand. Hinteregger hatte Lamine Sane klar umklammert, selbst FCA-Coach Dirk Schuster fühlte sich an eine „griechisch-römische Aktion“ aus dem Ringen erinnert.
Bitter für Werder: Praktisch im Gegenzug fiel der Ausgleich. Nach einer Ecke von Daniel Baier vollendete Jeffrey Gouweleeuw völlig unbedrängt, weil Theodor Gebre Selassie geschlafen hatte. Und Werder-Keeper Felix Wiedwald befand sich auch nicht gerade im Glanzparaden-Modus. „Wir haben die ganze Woche Standards gegen uns geübt und dann sind wir so schläfrig“, schimpfte Clemens Fritz. Ähnliche Worte hatte es schon nach dem 0:6-Desaster von München gegeben. Da hört der eine oder andere Spieler offenbar nicht richtig zu. Nicht zu überhören war allerdings, dass die Anfeuerung für die Gastgeber im mit 39.430 Zuschauern nicht ausverkauften Weserstadion von Minute zu Minute geringer wurde. Denn Werder gelang nichts mehr, Augsburg wurde immer stärker.
Skripnik: „Das war eine normale Leistung“
Für Sanes Foul an Finnbogason hätte es Elfmeter geben müssen, doch der Unparteiische verlegte den Tatort kurz vor den Strafraum. Das half Werder aber auch nicht, denn Konstantinos Stafylidis jagte die Kugel ins Netz (73.). Übrigens genau dort, wo Wiedwald stand. „Ich glaube, er hat den Ball sehr spät gesehen – und er war hart geschossen“, bemühte sich Baumann auch in diesem Fall um Rückendeckung. Nichts mehr zu Beschönigen gab es allerdings an der Schlussphase. Werder war total hilflos. „Wir haben keine Lösungen mehr gefunden“, gab Baumann zu. Als dann Luca Caldirola nach einer Rettungstat gegen Caiuby mit Verdacht auf Wadenbeinbruch das Spielfeld verlassen musste (87.), ging es für Werder nur noch in Unterzahl weiter. Das Wechselkontingent war schon ausgeschöpft – und das verbliebene Personal total erschöpft.
Skripnik kramte in seiner Analyse dennoch positive Aspekte hervor: „Gegenüber den letzten Wochen habe ich richtige Fortschritte gesehen. Wir haben alles probiert. Das war eine normale Leistung von uns.“ Mit 18:10 Torschüssen, 5:1 Schüssen auf das Tor und 4:0 Ecken – für den Gast aus Augsburg wohlgemerkt. Wenn das normal ist für Werder, wird es schwierig in der Bundesliga. Einige Fans fürchten das offenbar so sehr, dass sie pfiffen und „Skripnik raus“ brüllten. „Das ist das harte Geschäft, das ist kein Spaziergang hier. Aber wir kämpfen und arbeiten weiter – und werden ganz bestimmt nicht hektisch“, sagte der Coach und beschränkte sich damit in seiner Reaktion auf das Übliche.
Damit lag er voll auf Vereinslinie. Einmal mehr forderte Sportchef Baumann Geduld für das neu zusammengestellte Team ein. Dann müsse das Punkten eben am dritten Spieltag beginnen, was am Samstag bei Champions-League-Starter Borussia Mönchengladbach nicht leicht werden dürfte.